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Warum sich immer mehr Paare für eine freie Trauung entscheiden

Warum sich immer mehr Paare für eine freie Trauung entscheiden

  • Immer mehr junge Paare wollen eine große Hochzeitsfeier – aber ohne Kirche
  • Hochzeitsrednerin Nina Richert erklärt, woran das liegen könnte

Essen. 

Während Nina Richert über ihre letzte Trauung spricht, steigen ihr Tränen in die Augen. „Der Moment, in dem das Paar ‚ja‘ zueinander sagt, ist einfach so voller Freude, da kriege ich Gänsehaut“, sagt sie. Und dann muss sie lachen. „Das klingt schon echt ein bisschen sehr pathetisch, aber das gehört nun mal dazu.“

Nina Richert ist freie Hochzeitsrednerin. Die studierte Theologin traut Menschen, denen der standesamtlichen Akt allein nicht reicht – die aber auch keine kirchliche Trauung wollen.

Hochzeitskleid und Musik – aber keine Kirche

Immer mehr Paare entscheiden sich für eine freie Trauungszeremonie: Mit Hochzeitskleid, Hochzeitsgästen, Hochzeitsmusik – nur eben ohne Kirche.

Im Kirchenkreis an der Ruhr, zu dem unter anderem Mülheim gehört, gab es im Jahr 2012 noch 104 Trauungen. 2016 waren es nur 55. Allerdings war der Kirchenkreis damals noch größer: Die Gemeinde Essen-Kettwig gehört inzwischen nicht mehr dazu. Dennoch ist eine Tendenz deutlich erkennbar.

Auch in den Essener Gemeinden nimmt die Zahl der kirchlichen Hochzeiten leicht ab – obwohl die Zahl der Eheschließungen insgesamt stagniert.

Standesamt allein reicht nicht

Und die Nachfrage nach freien Trauungen sei in den letzten Jahren stark gewachsen, sagt Nina Richert. Woran liegt das? „Viele Menschen sind nicht mehr so stark kirchlich sozialisiert, das Thema Kirche spielt für sie keine so große Rolle mehr“, glaubt die 42-Jährige.

Warum reicht ihnen dann nicht die standesamtliche Trauung? „Immer mehr Paare wollen die Eheschließung feiern und auskosten“, so die Hochzeitsrednerin. „Und wenn der spirituelle Teil in der Kirche wegfällt, dann haben sie eben den Wunsch nach etwas anderem, das besonders ist.“

Trauung im RWE-Stadion

Die Hochzeit soll nicht nur ein schnöder Amtsstuben-Akt sein. Erst vor ein paar Tagen hat Nina Richert ein junges Paar im Essener RWE-Stadion getraut.

„Das war schon was Besonderes“, erzählt sie. Genau wie ihre allererste Trauung: Die ihres Bruders und seiner Frau. Die beiden hatten sie damals gebeten, ein paar Worte bei der Hochzeit zu sagen. „Da hab ich gemerkt, dass mir das wirklich enorm Spaß macht und dass ich das beruflich machen könnte“.

Selber Heiraten? „Keine Zeit“

Den eigenen Bruder kennt man – im Idealfall – sehr gut. Aber wie geht sie an eine Rede für Menschen heran, die sie nur ein paar Mal im Leben gesehen hat? „Die Paare und ich führen vor der Trauung intensive Gespräche, und irgendwann entwickle ich dann einen Zugang zu den Menschen.“

Das, was sie dann sagen wird, bereitet sie grob vor – spricht dann aber frei. „So kann man auch immer noch auf Situationen spontan reagieren.“

Sie selbst ist nicht verheiratet – „dafür hab ich gar keine Zeit“, sagt Richert, die hauptberuflich Betriebsleiterin der Bar S6 in Essen-Stadtwald ist, und lacht.

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Aber sollte sie jemals heiraten, dann werde es wahrscheinlich keine freie Trauzeremonie geben. „Ich hab ja schon immer so viele Hochzeiten, das wäre mir dann zu viel. Sollte ich jemals heiraten, würde ich das ganz intim im kleinen Kreis machen.“

Ein bisschen wie bei einem Sternekoch, der abends nach der Arbeit lieber Currywurst isst.