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Warum Reinhard Paß sechs Jahre durchhalten wird

Warum Reinhard Paß sechs Jahre durchhalten wird

Dass Oberbürgermeister Reinhard Paß und die SPD-Ratsfraktion ein wenig herzliches Verhältnis pflegen, ist bekannt. Gern operiert der OB seufzend mit dem geflügelten Wort, im Rat gebe es „nur Oppositionsparteien“, die ihm das Leben schwer machten. Wie gering der Vorrat an Gemeinsamkeit selbst bei zentralen taktischen Fragen ist, wurde jüngst deutlich, als es darum ging, ob sich Paß schon ein Jahr vor dem Ende seiner eigentlich sechsjährigen Amtszeit gemeinsam mit dem Rat im Herbst 2014 dem Bürgervotum stellt. Die NRW-Landesregierung hatte den Stadtoberhäuptern diese Verkürzung nahegelegt, um möglichst schnell wieder zu einem gemeinsamen Kommunalwahltermin Rat/OB zu kommen.

Während die Essener SPD – sowohl Fraktion wie Partei – diesem vernünftigen Vorstoß viel abgewinnen kann, sagte der OB klar und deutlich Nein. Aus seiner Sicht ist das verständlich. Reinhard Paß hat es bisher noch nicht vermocht, im Amt sonderlich viel Profil zu erlangen. Dafür gibt es Gründe, die zum einen in seiner Person und in seinem Amtsverständnis liegen, zum anderen in der für ihn objektiv schwierigen Ratskonstellation mit der CDU als Anführerin des stabilen Viererbündnisses. In dieser Lage macht es jedenfalls einen großen Unterschied, ob gerade noch gut anderthalb Jahr Zeit bleiben, um Versäumtes nachzuholen, oder eben zweieinhalb. Der OB kann eigentlich nur profitieren, wenn er seine Amtszeit zeitlich ausfüllt, fast möchte man sagen: Jeder Tag, den er bis zu seinem Wahltermin länger im Amt ist, kann potenziell wertvoll sein. Dass die SPD Paß’ Sorgen offenkundig wenig interessieren, dürfte den OB nicht freuen. Aber er ist in dieser Hinsicht ja Kummer gewöhnt.

Oberbürgermeister haben im wesentlichen drei Möglichkeiten, Profil und Macht zu gewinnen und zu behaupten: als beliebte „Volkstribunen“ nah beim Bürger, als Über-Chefs einer starken Ratsfraktion und als tatkräftige Entscheider im Rahmen ihrer Funktion als Dienstherr der Stadtverwaltung. Gerade der starke Rückhalt bei den Bürgern, die Aura des Amtes, ist nicht zu unterschätzen. Solchen OB’s wächst mit der Zeit eine natürliche Autorität zu, die ihnen hilft, ihren Willen selbst dann durchzusetzen, wenn die formale Macht andere besitzen. Am Typus „Volkstribun“ prallt auch manche öffentliche Kritik einfach ab.

Reinhard Paß, das ist seine Tragik, zeigt eklatante Schwächen auf allen drei Feldern, und zurzeit sieht es nicht danach aus, als würde sich dies noch mal radikal ändern. Den Ehrgeiz aber, die Wiederwahl trotzdem zu schaffen, hat er eben doch. Das ist sein gutes Recht.