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Trinkerraum in Essen löst Probleme von Alkoholikern nicht

Trinkerraum in Essen löst Probleme von Alkoholikern nicht

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Foto: WAZ FotoPool
Die Suchthilfe direkt ließ sich als einzige soziale Institution in Essen auf das Experiment Trinkerraum ein. Dort ist kontrollierter Alkoholkonsum für Abhängige möglich. Nach einer dreimonatigen Testphase „Alkoholkonsum im Krisencafé“ steht fest: Die Probleme werden damit nicht gelöst.

Essen. 

Allein die Suchthilfe direkt übte sich nicht in Abstinenz und ließ sich als einzige soziale Institution in dieser Stadt auf das umstrittene Experiment ein: Um Erkenntnisse über Möglichkeiten und Grenzen des vieldiskutierten Trinkerraums für Essen zu bekommen, testete die städtische Gesellschaft über drei Monate erstmals einen kontrollierten Alkoholkonsum in ihrem Krisencafé an der Hoffnungstraße am Rande der City.

Etliche von den Besuchern mitgebrachte Flaschen Bier und Wein später liegt ein abschließender Bericht über den Versuch vor, der am 1. April startete, am 30.Juni endete und in den heute der Aufsichtsrat der städtischen Gesellschaft eingeweiht werden soll.

Kontrolliertes Trinken

Für die Suchthilfe steht bereits fest, „wir machen weiter“ und unterm Strich die Bilanz: Kontrolliertes Trinken „weicher Alkoholika“ in Gestalt von maximal drei Flaschen Bier pro Tag während eines betreuten Aufenthalts ist allemal besser, als einsam und auf die Schnelle eine Flasche Asbach auf der Parkbank zu leeren – aber: „Auch das löst die eigentlichen Probleme der auch von illegalen Drogen abhängigen Trinker nicht.“

Und wohl auch nicht die vieler Bürger, die Szeneansammlungen in der City und an den bekannten Treffs in den Stadtteilen mindestens als anstößig empfinden. Interessante Erkenntnisse lieferte der Testlauf dennoch.

Trotz Kritik positive Entwicklung zu verzeichnen

Im Vergleich zu den trockenen Vormonaten registrierte das Krisencafé deutlich mehr Besucher. Im Schnitt kamen 116 pro Tag, das waren rund 16 Prozent mehr als in Zeiten des strikten Alkoholverbots. Und es waren durchaus leichte Außenwirkungen festzustellen: 40 Prozent der Befragten gaben an, vor der Testphase Alkohol an den Treffs in der Innenstadt getrunken zu haben. Immerhin meinten davon zehn der Szenegänger, dass sie sich dort nun nicht mehr aufhielten.

Und 45 Prozent derjenigen, die sich immer wieder an den einschlägigen Orten trafen, versicherten, nicht mehr so lange draußen zu verweilen, weil es nun ein anderes Angebot gebe. Im Krisencafé waren die Trinker fast doppelt so lange anzutreffen wie die restlichen Besucher und zumindest das direkte Umfeld der Suchthilfe an der Hoffnungstraße dürfte das bemerkt haben: „Dort halten sich bis zu 50 Prozent weniger trinkende Szenemitglieder im öffentlichen Raum auf“, heißt es in dem internen Bericht. „Beschwerden aus der Nachbarschaft, die in direktem Zusammenhang mit den Neuerungen stehen, wurden nicht registriert.“

Auf weiche Alkoholika umgestiegen

Die Testphase brachte also keine wirklichen Überraschungen, doch eine Erkenntnis lässt die Wissenschaft aufhorchen: Klienten der Suchthilfe, die früher Hochprozentiges getrunken haben, sind durch das neue Angebot auf Bier umgestiegen. Wie sich durch den Konsum weicher Alkoholika womöglich eine krankhafte Abhängigkeit von Schnaps und Co. beeinflussen lässt, könnte schon bald untersucht werden. Professor Norbert Scherbaum vom LVR-Klinikum soll sich sehr für das Thema interessieren.