Die Stimme klingt nach einem Jacques Brel, der am Abend vorher 20 Gitanes zu viel geraucht hat. Und in den Songs geht es um „tits“ und „Nutten“ und die Einsamkeit des Masturbierenden.
Die Musik des Schweizer Sängers Faber ist rau, ist Polka und Folk und Balkan mit Bläsern. Alles in allem wirkt das, was er macht, wie ein Gegenentwurf zu dem, was die Tim Bendzkos dieser Welt gerade so in den Charts treiben.
Faber: Größte Hoffnung deutschsprachiger Popmusik?
Manche nennen Faber gar die größte Hoffnung deutschsprachiger Popmusik, was gefährlich ist: Denn „größte Hoffnungen“, die sich am Ende dann doch nicht erfüllen, gab es schon zu viele vor ihm.
Vielleicht reicht es, wenn wir festhalten: Das Debütalbum von Faber, der bürgerlich Julian Pollina heißt, ist ein Phänomen und gehört sicher zum besten, was an deutschsprachiger Musik in diesem Jahr bislang erschienen ist.
Im Interview spricht der Musiker über die Romantik von Büdchen, Helene Fischer und die AfD – und erklärt, warum zum Teufel ein Schützenverein auf seinem Albumcover posiert.
Du bist 25, klingst aber deutlich älter: Wie kommt man an so eine Stimme?
Faber: Ich glaub, zum einen ist das halt naturgegeben. Aber was auch hilft, ist wenig schlafen und viel rauchen.
Zum Schlafen fehlt auf Tour wahrscheinlich auch die Zeit. Manche Musiker sagen, dass sie nach einer Tour in so eine Depression verfallen, wenn plötzlich alles stillsteht. Kennst du das auch?
Faber: Ich glaub, das geht wirklich vielen so. Bei mir ist das glaub ich anders. Tatsächlich hatten wir im Sommer ne Tour, dann aber fünf Wochen frei. Ich fand das schon sehr angenehm, muss ich sagen. Ich bin jetzt nicht so ins Loch gefallen, sondern fand das eher ganz schön, zuhause zu sein. Rumliegen, lesen, Leute treffen, Pingpong spielen, Fußball spielen. Das sind halt Sachen, die Spaß machen. Und manchmal guckt man auch einfach nur die Decke an.
Dein Debütalbum wird gerade sehr gefeiert. Hast du Angst vor dem zweiten Album, weil der Druck plötzlich so groß ist?
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Faber: Ja, auf eine Art und Weise schon. Aber ich glaube, das muss man von dem, was in den Medien steht, trennen. Wenn was so hoch gelobt wurde, ist es schwierig, das zu halten. Aber das ist ja nicht alles, es geht ja nicht nur um eine gute Kritik. Trotzdem denk ich mir natürlich schon, wenn ich grad was schreib, ob das auf dem selben Niveau ist. Das Problem hab ich tatsächlich gerade ein bisschen.
Auf dem Cover von deinem Album sieht man dich, wie du lässig vor einem Schützenverein liegst. Sind das echte Schützen?
Faber: (lacht) Ja, das sind echte Schützen. Wir haben bei Google „Schützenverein Köln“ oder so was eingegeben und dann haben wir einen angefragt. Die hatten grade so ein Fest und wir haben gefragt, ob wir da mal vorbeikommen und ein paar Fotos machen dürfen. Das Bild war gar nicht als Albumcover gedacht, wir wollten einfach für jedes der zwölf Lieder ein Foto machen. Und eins sollte eben das mit dem Schützenverein sein, weil ich das lustig fand. Und dann fand ich das Foto so geil und perfekt, dass wir das als Cover genommen haben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass die mit dem Produkt so richtig zufrieden sind, aber wir haben ihnen die Bilder gezeigt und die waren einverstanden.
Haben sich die Schützen nochmal gemeldet?
Faber: Nee. Aber so wie die getrunken haben, kann ich mir nicht vorstellen, dass die noch wissen, dass wir da waren.
In deiner Musik sind viele Balkaneinflüsse. Woher kommen die?
Faber: Zum einen haben wir kein ganzes Schlagzeug. Wir brauchen so ganz viele kleine Trommeln, das wirkt sich auf den Rhythmus aus. Und daher kommt dann vielleicht die Assoziation. Und ich finde Balkanmusik extrem spannend. Vor dem Album hab ich viel solche Musik gehört, das ist dann auch in die Lieder eingeflossen. Und meine Freundin ist aus Serbien, vielleicht hab ich darüber auch was mitgekriegt.
In deinem Song „Wer nicht schwimmen kann, der taucht“ setzt du dich ironisch mit Fremdenfeindlichkeit auseinander. Glaubst du, dass du mit deiner Musik politisch was bewegen kannst?
Faber: Das wär schön. Ich denke allerdings nicht. Das ist nicht das Hauptding. Ich glaube, bei mir hat es vor allem keinen großen Impact. Leute wie ich singen das ja Leuten vor, die per se der gleichen Meinung sind. Der Impact ist viel kleiner, als wenn jetzt so große Popstars das machen würden. Bis zu einem gewissen Punkt sind die auch in der Verantwortung, solche Themen mal anzusprechen. So eine Helene Fischer zum Beispiel, wenn sie denn eine Meinung dazu hat. Leider passiert das viel zu selten, obwohl so jemand vielleicht was bewegen könnte.
In Deutschland ist die AfD im Aufwind, in der Schweiz ist die SVP ziemlich stark. Warum ist Rechtspopulismus zurzeit so erfolgreich in Europa?
Faber: Vielleicht fehlt in Europa gerade die Weitsicht, weil man einfach so Angst hat. Die Angst ist ja nicht ganz unberechtigt. Überall auf der Welt brennt`s und dann hat man Angst, dass man hier auch was verlieren könnte. Nur die Lösungen, die manche jetzt wollen, sind keine Lösungen. Wenn sich jetzt zum Beispiel Europa mit Niger zusammentut und eine Mauer in der Sahara baut, um Flüchtlinge abzuhalten, dann ist das nur eine Unterdrückung von Symptomen. Aber das wollen viele Leute.
Einfache Lösungen?
Faber: Genau. Sowas bieten die Rechtspopulisten. Die einen sagen: Das ist ein kompliziertes Problem. Und die Rechtspopulisten sagen: Komm, wir schmeißen einfach die Ausländer raus. Egal, was eigentlich das Problem ist. So zu denken, ist doch behindert. Wenn die erzählen, dass die Ausländer die Arbeitsplätze stehlen, ist das Bullshit.
Jeder weiß, dass es ganz viele Gründe für Arbeitsplatzprobleme gibt, zum Beispiel die Verlagerung von Stellen ins Ausland, die zunehmende Automatisierung und die Digitalisierung. Und die rechten Politiker wissen das ganz klar, aber die spielen mit den Ängsten der Leute. Bei der SVP gibt es zum Beispiel den Roger Köppel. Der ist ein sehr, sehr schlauer Mensch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der wirklich alles, was der sagt, auch selber glaubt. Wähler heißzumachen und gegen andere aufzuhetzen, das kann schon schiefgehen.
Das Thema beschäftigt dich offenbar.
Faber: Klar, das geht uns ja alle an. Das ist ja unsere Zukunft, die wir uns da verspielen. Wenn so viele Leute in Deutschland die AfD wählen, ist das ein harter Schlag für Europa. In Frankreich ist es ja teilweise schon so, in Ungarn sowieso und in der Schweiz sind die Rechtspopulisten auch erfolgreich. Da wird ganz viel mit den Ängsten der Leute gespielt. So wird das nicht gut enden.
Die Sprache in deinen Texten ist manchmal ziemlich deutlich. In deinem Song „Sei ein Faber im Wind“ sagt das lyrische Ich zur Exfreundin: „du Nutte“. Wenn du Deutsch-Rapper wärst, hätte das niemanden gejuckt. Bei dir hat das aber zu einer kleinen Sexismusdebattte geführt. Woran liegt das?
Faber: Bei den Rappern sagt man, das gehört dazu, das ist deren Sprache. Und in der Popmusik sagt man wohl, das gehört nicht dazu. Popmusik muss sein: Ich reime Herz auf Schmerz. Ich finde das ein bisschen schade. Ich mach meine Texte halt so, wie ich das mag. Und wie ich mir das auch lieber anhöre.
Ich find es traurig, dass die Popmusik textlich schon meistens ziemlich langweilig ist. Aber das mit dem Sexismus war auch ne sehr erfundene Debatte, finde ich. Der Song ist ja eigentlich sehr facettenreich und arbeitet mit viel Humor. Aber das wurde natürlich alles weggelassen und man hat sich nur auf „du Nutte“ konzentriert.
Ich hab mal gelesen, dass du angeblich einen Kiosk besitzt. Stimmt das?
Faber: Ich betreibe den nicht.
Aber du hilfst da manchmal aus, oder wie?
Faber: Ja. Obwohl nein, das stimmt auch nicht. (lacht) Das stimmt eigentlich einfach überhaupt nicht. Das war auch nie so, aber das kann mal noch werden. Ich hab tatsächlich mal gesagt, dass das so sei, aber das war mehr so ein Wunsch. Ich stelle mir das sehr romantisch vor, wenn man so einen Kiosk hat. Da kommen dann immer Leute und kaufen Tabakwaren und ich steh dann da und mach gemütlich Kaffee.
Im Rheinland und im Ruhrgebiet ist so ein Büdchen ja mehr als ein Laden. Es ist auch ein sozialer Treffpunkt, eine richtige Institution.
Faber: Genau das meine ich, das sollte dann nicht nur ne Verkaufsstelle sein, sondern da unterhält man sich auch mit den Leuten und so. Wenn grad nicht so viel los ist, würd ich was schreiben und dann würden irgendwann alle von der Arbeit kommen und dann würden wir noch zusammen was im Kiosk trinken. So stell ich mir das vor.
Dieses Interview erschien zuerst am 26. September 2017 auf DER WESTEN