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Essen: Mann soll Ex-Frau gewürgt haben – mussten Kinder das Gewalt-Drama mitansehen?

Familienvater wird vom Landgericht Essen wegen schlimmer Körperverletzung verurteilt – doch eine Aufnahme könnte alles ändern.

Essen
© imago/JOKER

Verbrechen in NRW: So viel Arbeit hat die Polizei wirklich

Laut der Polizei-Kriminalstatistik ist die Kriminalität in NRW 2022 leicht angestiegen. In den vergangenen sechs Jahren war sie noch stetig gesunken. Mit knapp 1,37 Millionen Delikten gab es einen Anstieg um 13,7 Prozent zum Vorjahr.

2014 lernten sich Omar F. und Nadine M. kennen und lieben. Nur ein Jahr später folgte die Hochzeit nach islamischem Recht und das erste von drei Kindern kam auf die Welt. Doch kurz darauf zerbrach das Familienglück und Streit und Gewalt sollen den Alltag des Paares bestimmt haben. Nun mussten sie die schmerzhaften Erinnerungen vor dem Landgericht Essen nochmal aufarbeiten.

Im Besonderen ging es am Donnerstag (12. Oktober) um einen Vorfall aus dem Jahr 2019. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, seine Ex-Frau in ihrer Wohnung geschlagen und gewürgt zu haben – und das vor den Augen der Kinder. Vom Landgericht Essen wurde er für die Tat bereits zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt, doch nun wird der Fall neu aufgerollt.

Essen: Heftige Vorwürfe gegen Familienvater

Der Verteidiger legte gegen das Urteil vom 23. August 2022 Revision ein und erhielt vom Bundesgerichtshof Recht. Die Glaubhaftigkeit der Opferzeugin wird infrage gestellt und vor allem eine Aufnahme könnte nochmal alles ändern. Aber eines nach dem anderen. Die Liste der Anklagepunkte war lang und grausam. Von 2014 bis 2020 soll er seine frühere Lebenspartnerin geschlagen, mehrfach vergewaltigt sowie durch Anpinkeln erniedrigt haben.

Als das vermeintliche Opfer mit dem dritten Kind im 7. Monat schwanger war, soll er ihr mit der Faust ein blaues Auge geschlagen haben. Doch all diese Anklagepunkte wurden aufgrund mangelnder Beweise und umstrittener Aussagen der Ex fallen gelassen – bis auf den Würge-Vorfall. Omar F. hört sich die Anklageschrift bis zum Ende an, schüttelt zwischendurch den Kopf, doch als die Richterin fertig ist, platzt es aus ihm raus. „Wegen dieser Teufels-Frau mache ich seit zehn Jahren die Hölle durch. Alles erlogen“, schreit er. Sein Anwalt bittet um eine Pause, zwei Polizisten werden zur Sicherheit hinzugezogen, immerhin sitzt die Ex-Frau bereits vor dem Saal und wartet. Der Beschuldigte beruhigt sich wieder und es kann weiter gehen.

„Nicht Mama schlagen“

Omar F. hat schon öfter ein Gericht von innen gesehen. Der 32-Jährige ist bereits wegen mehrerer Straftaten verurteilt worden. Auch 2019 befand er sich im offenen Vollzug, als er seiner Ex zuhause einen Besuch abstattete und Einlass verlangt haben soll. „Ich sagte, er soll gehen, doch seine Familie redete immer wieder auf mich ein.“ Als das Paar mit den Kindern alleine war, sei die Situation kurz darauf eskaliert. „Er zog mich aus dem Schlafzimmer an den Haaren in die Küche, drängte mich in die Ecke und würgte mich. Ich hatte Todesangst.“

Während des Angriffs hätte sie eines ihrer jüngeren Kinder auf dem Arm gehabt, welches weiß sie nicht mehr genau. Dann habe sich ihr ältester Sohn mit gerade einmal fünf Jahren vor sie gestellt und zu seinem Vater gesagt: „Nicht Mama schlagen.“ Daraufhin habe der Angeklagte den Jungen zur Seite getreten. „Ich habe aus Notwehr nach einem Küchenmesser gegriffen und nach ihm geschlagen“, erzählt sie weiter. Ihr Ex sei zu Boden gegangen, sodass sie ihren Schwiegervater zur Hilfe rufen konnte. An viele der Anklagepunkte kann sich die 30-Jährige nur noch vage erinnern, doch diese Szene beschreibt sie, als wäre es gestern gewesen.

Omar F. bestreitet, jemals gewalttätig seiner Familie gegenüber geworden zu sein. „Ich würde niemals eine Frau oder Kinder schlagen. Sowas macht man bei uns nicht, meine Eltern würden sich von mir abwenden.“ Er hat die Szene ganz anders in Erinnerung: „Sie war eifersüchtig, weil ich zuvor mit anderen Frauen geschrieben habe. Daraufhin hat sie Tabletten geschluckt, um sich das Leben zu nehmen. Ich habe sie stark gedrückt, damit sie die Tabletten ausspuckt. Sie ist dann mit einem Messer auf mich losgegangen.“ Die Kinder seien zu dem Zeitpunkt bei seinen Eltern gewesen. Er habe seine Familie um Hilfe gebeten, die einen Krankenwagen alarmierten.

Ändert DIESE Aufnahme alles?

Während der Aussage von Nadine M. schauen sich die beiden nicht einmal in die Augen. Doch als die Zeugin mit der Aussage des Angeklagten konfrontiert wird, guckt sie ihn direkt an und wütet: „Omar, bitte was? Hör auf, so eine Scheiße zu erzählen. Es gab eine Situation, wo ich drei Tabletten Paracetamol genommen und mich geritzt habe, weil du mich hochschwanger betrogen hast. Umbringen wollte ich mich bestimmt nicht“, stellt sie klar.


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Das Landgericht Essen glaubte der Zeugin im August 2022 und verurteilte den Angeklagten zu einem Jahr Haft, doch Rechtsanwalt Hintzen glaubt an eine Rache-Tat. Eine Tonaufnahme aus einem Whatsapp-Chat mit der Schwester des Angeklagten aus dem Jahr 2019 soll seine These belegen. Darin habe das vermeintliche Opfer gesagt: „Er wird im Knast schmoren und ich werde dafür sorgen.“ Eine Woche darauf habe sie Anzeige erstattet. Aus Angst, ihre Kinder an das Jugendamt zu verlieren, habe sie den Schritt gewagt.  

Auf die Aufnahme angesprochen, wirkt Nadine M. unsicher, behauptet jedoch, dass sie solch eine Aussage niemals getätigt habe. Der Verteidiger ist sich dagegen sicher, dass ein Stimmvergleich die Ex-Frau seines Mandanten klar identifizieren würde und plädiert darauf, das Band abzuspielen. Doch dazu kommt es an diesem Gerichts-Tag zumindest noch nicht. Am 19. Oktober ist eine weitere Sitzung angesetzt. Wer lügt hier und wer spricht die Wahrheit?