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Keine Lust auf Einheitsbier – Dortmunder brauen selber

Keine Lust auf Einheitsbier — Dortmunder brauen selber

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Foto: Ralf Rottmann / WAZ FotoPool
Bier hat in Dortmund eine lange Tradition – das steht fest. Allerdings sind die vielen traditionsreichen Brauereien mittlerweile auf einie einzige zusammengeschrumpft. Deshalb haben sich Bierliebhaber jetzt zusammengeschlossen und brauen unter dem Namen „Die Biermacher“ ihr eigenes Bier.

Dortmund. 

Dass in Dortmund Bier gebraut wird, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch während die Zahl der großen Brauereien im Laufe der Jahrhunderte auf nunmehr eine einzige schrumpfte, entdecken viele Bierliebhaber ihre Leidenschaft für die Marke Eigenbräu. In Dortmund und auch anderswo. In der Bierstadt von einst gründeten sie eine Genossenschaft namens „Die Biermacher“ und experimentieren mit so Exotischem wie Rosmarin- oder Schokoladenbier.

Industriekulisse ist im Ruhrgebiet vieles, aber es ist schon ein anrührender Zufall, wenn sich Hobby-Bierbrauer von heute ausgerechnet in einem alten Kellergewölbe treffen, das einst zu einer der alteingesessenen Brauereien gehörte. „Glück Auf“-Brauerei hieß die bis 1912, später Bürger-Bräu. Heute existiert von ihr nichts mehr außer diesen zwei, mit weißen Fliesen gekachelten Räumen. Die 40 Genossenschaftler, die hier an Eigengebrautem tüfteln, improvisieren mit einem Gärbottich, der einmal eine Gulaschkanone gewesen ist. Ihr Brauen selbst jedoch ist durchaus kenntnisreich.

Aus Laien wurden Experten

Wo soll man anfangen? Dass Jean Pütz, der Moderator der Hobbythek, vor vielen Jahren den Grundstein zu dieser Bewegung legte? In Sendung Nr. 80 war das, und Pütz nutzte noch eine Babywindel als Maische-Filter. Er jedenfalls inspirierte viele, es zu Hause am Küchentisch auszuprobieren. Bier homemade. Auch die Dortmunder Genossen fingen so an. Und nach diversen Brau-Seminaren schlossen sie sich zusammen: Gemeinsam macht’s einfach mehr Spaß!

Und wer sie besucht, in ihrem Gewölbe, wer sich von ihnen erklären lässt, wie der Garbottich funktioniert, wer an Malz und Hopfen riecht, der stellt alsbald fest, aus Laien sind über die Jahre Experten geworden. Charly Hollmann, der Kommunalbeamte im Ruhestand, kann wunderbar beschreiben, wie man maischt und wie in chemischen Prozessen der Zucker in Alkohol umgewandelt wird. Alexandra Becker, im normalen Leben Angestellte einer Krankenkasse, schwärmt für ein karamalzlastiges Gebräu, „das bernsteinfarben aussieht und leicht süßlich schmeckt“.

Selbst gebrautes Bier wird immer beliebter

„Die Zahl der Braustätten nimmt tatsächlich ständig zu. Inzwischen existieren in Deutschland 1339, darunter viele kleine und kleinste“, erklärt Marc-Oliver Huhnholz vom Deutschen Brauer-Bund. Man freue sich sehr über diesen Trend, schließlich „wird dadurch mehr denn je über Bier gesprochen!“. Echte Konkurrenz für die Branchenriesen sind sie natürlich nicht. Doch gerade in Süddeutschland wird durch Eigengebrautes gern Lokalkolorit betont.

Auch Brauseminare wie jene in der Dortmunder Hövels-Hausbrauerei sind lange im Voraus ausgebucht. Egal ob auf Firmenevents oder Familienfeiern, da braut man sich gern etwas zusammen. Auf Internetseiten wie der von dem Wittener Michael Plum gegründeten „Hobbybrauer.de“ tauscht man sich aus über Rezepte, Zutaten und Utensilien. Denn an das deutsche Reinheitsgebot sind die privaten Biermacher im Gegensatz zu den Großproduzenten nicht gebunden.

Ohne Hopfen, Malz, Wasser und Hefe freilich geht es nicht. Doch Alexandra Becker von den Dortmunder Bier-Genossen hängte schon einmal ein Leinensäckchen mit Rosmarin in den Sud und siehe da, es roch und schmeckte gut. Was angesichts heutiger Biergewohnheiten abenteuerlich anmutet, ist jedoch alles andere als neu. Rosmarin im Bier hat Tradition, schließlich hieß es schon 1872 in Bierstudien des Dr. Theodor Gräße: „Sehr hoch geschätzt war das Rosmarinbier, denn es übertraf alle anderen Kräuterbiere an Farbe, Geschmack und Kraft… Man glaubte, es gehe durch alle Glieder, erquicke die Geister des Menschen, mehre die natürliche Hitze, stärke Herz und Hirn…“

Dortmunds Hobbybrauer jedenfalls probieren, wo sie nur können. Mit Kirschen, Koriander, Orangenschalen und selbst mit dem Geschmack von Schokolade oder Banane. Und für gut Befundenes bekommt einen Namen, so klingend wie „Emscher-Gold“, „Hopfen-Glück“ und „Grubenwasser“.