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Vollzeit-Job und trotzdem eingeschrieben: Darum bin ich Fake-Student

Vollzeit-Job und trotzdem eingeschrieben: Darum bin ich Fake-Student

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Mit dem Semesterticket können Studenten ein halbes Jahr durch ganz NRW fahren. Foto: Foto: Volker Speckenwirth / WAZ FotoPool

Bochum. 

Michael* (25) steigt in den Zug. Als ein Schaffner nach seinem Fahrschein fragt, kramt er völlig selbstverständlich sein Semesterticket hervor. Nur: Michael hat die Uni seit über einem Jahr nicht mehr von innen gesehen – er arbeitet hauptberuflich als Trainee.

Michael ist Schein-Student. Offiziell ist er für die zulassungsfreien Fächer Japanologie und katholische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum eingeschrieben.

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Doch sein VWL-Studium hat Michael bereits vor einigen Semestern abgeschlossen. Eingeschrieben blieb er trotzdem: „Mit Semesterticket ist es einfach viel günstiger für mich, jeden Tag zur Arbeit zu pendeln“, meint der Schein-Student.

So günstig ist Bahnfahren für Studenten

Die Rechnung ist einfach – Fake-Studenten sparen im Jahr hunderte Euro. Der sogenannte Sozialbeitrag, den jeder Student pro Semester bezahlen muss, liegt an der Uni Bochum bei 316,28 Euro. Darin sind 189 Euro für ein Nahverkehrsticket enthalten, das in ganz NRW gilt: für U-Bahnen, Busse, S-Bahnen und Regionalzüge.

189 Euro pro Semester – das macht nur 31,50 Euro im Monat für die Nutzung des gesamten öffentlichen Nahverkehrs. Das Semesterticket gilt sechs Monate.

Ein so unschlagbar günstiges Tickets bekommt sonst niemand. Zum Vergleich: Ein Zwei-Stunden-Ticket für eine Regionalbahnfahrt in NRW kostet 19,80 Euro. Für das Ticket2000, das nur für den VRR gilt, blechst du monatlich 194,50 Euro.

Neben der Vergünstigung für Bus und Bahn genießen eingeschriebene Studenten weitere Vorteile: geringere Krankenkassenbeiträge, Vergünstigungen im Kino, Theater und Museum. Davon profitieren auch Schein- oder Fake-Studenten wie Michael.

Wieviele Scheinstudenten gibt es eigentlich?

Es gibt keine genauen Zahlen für NRW. „Die Zahl der Schein-Studenten ist deshalb so schwer zu beziffern, weil es weder Kriterien, noch eine Statistik gibt“, erklärt ein Sprecher der Ruhr-Universität Bochum.

An der Uni Düsseldorf geht man davon aus, dass 8000 der insgesamt 30.000 Studierenden, Scheinstudenten sind. Das macht einen Anteil von beinahe 27 Prozent, so die Rheinische Post. Mehr als jeder Vierte ist demnach eingeschrieben, besucht aber keine Veranstaltungen.

Ähnliche Zahlen sind in Bochum denkbar. Im Wintersemester 2016/17 registrierte die Uni knapp 42.500 eingeschriebene Studenten.

Was sagt der VRR dazu?

Durch die Fake-Studenten gehen dem Verkehrsbund Rhein-Ruhr (VRR) wahrscheinlich Einnahmen verloren. Verluste durch Schein-Studenten will VRR-Sprecher Dino Neumann aber so nicht bestätigen.

„Jeder Student, der den Beitrag zahlt, erhält auch ein Ticket“, so Dino Niemann vom VRR.

Auch Niemann vermutet, dass „sich Studenten aus studienfremden Gründen“ einschreiben. Er schließt einen Trend zum „Scheinstudententum“ nicht aus, um vergünstigt Zug und Bahn zu fahren.

Was sagen Krankenkassen?

Auch Krankenkassen bieten vergünstigte Tarife für Studenten an. „Ein versicherungspflichtiger Student zahlt monatlich 72,82 Euro (inklusive des TK-Zusatzbeitrags von 6,49 Euro) für die Krankenversicherung und 16,55 Euro für die Pflegeversicherung“, so Beate Hanak von der Techniker Krankenkasse.

Sie glaubt aber: „Die Zahl der Scheinstudenten dürfte nicht sehr groß sein, da die Versicherungsverhältnisse regelmäßig überprüft werden.“

Studenten, die mehr als 20 Stunden pro Woche arbeiten oder über 450 Euro verdienen, werden ohnehin als Arbeitnehmer versichert.

Michael dürfte sein Versicherungsverhältnis bei der Krankenkasse ziemlich gleichgültig sein. Er ist über seinen Arbeitgeber versichert.

*Name von der Redaktion geändert.