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Neues Gesetz – viele Prostituierte fühlen sich diskriminiert

Viele Prostituierte fühlen sich diskriminiert

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Foto: Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
Die Beratungsstelle Madonna setzt sich kritisch mit Entwurf des Prostituiertenschutzgesetzes auseinander. Vereinsmitglied verteidigt Berufsstand.

Bochum. 

Ulrike Rothe könnte Lehrerin sein, sie könnte auch Hausfrau und Mutter sein oder Sekretärin. Wer sie trifft, kann sich so einiges vorstellen, aber der Beruf der Sexarbeiterin kommt eher nicht in den Sinn. Die 45-Jährige wohnt in NRW und besucht als Vereinsmitglied ab und an die Fachberatungsstelle Madonna in der Bochumer Innenstadt. Sie engagiert sich auch im Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD).

Dreh- und Angelpunkt der Diskussion in der Branche ist zurzeit der Entwurf des Prostituiertenschutzgesetzes, auf den sich die schwarz-rote Bundesregierung geeinigt hat. Er soll Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind, vor Menschenhandel und Zwang schützen. Ulrike Rothe und auch Astrid Gabb, Leiterin der Beratungsstelle Madonna, üben Kritik an dem Entwurf. Er sieht zum Beispiel eine gesonderte behördliche Anmeldepflicht für Prostituierte vor. „Erst einmal müssten die Gesetze durchforstet werden und stigmatisierende Paragrafen wie der Zuhälterparagraf herausgenommen werden. Die Bereitschaft mich einordnen zu lassen, steigt mit der Akzeptanz meines Berufs“, sagt Rothe und spricht ein Grundproblem der Diskussion an.

Bundesregierung spricht am Thema vorbei

Wenn die Bundesregierung von Menschenhandel und Zwangsprostitution spreche und die legale Prostitution in einem Atemzug nenne, gehe das am Thema vorbei: „Menschenhandel und Zwangsprostitution sind Straftaten, für die es schon Gesetze gibt. Die Sexarbeit soll hier in einer Weise reguliert werden, in der es nicht nötig ist. Legale Prostituierte sind gemeldet beim Finanzamt und beim Einwohnermeldeamt“, so Gabb.

Die Stigmatisierung eines Berufs und besondere Verpflichtungen führe dazu, die Branche weiter zu verdunkeln: „Umso heller die Branche wird, desto eher komme ich Missständen auf die Spur“, erläutert sie. Obwohl Sexarbeit seit 2002 nicht mehr als sittenwidrig gilt, wird sie als Arbeitsfeld nur am Rande der Volkswirtschaft behandelt. „Ich empfinde es als diskriminierend, dass das Thema im Familienministerium abgehandelt wird und nicht im Wirtschafts- oder Arbeitsministerium“, so Rothe.

Seit 14 Jahren im Geschäft pflegt sie einen offenen Umgang mit ihrem Beruf und man merkt ihr an, wie leid sie die medial provozierten Bilder von Prostituierten ist. „Ich habe in den ganzen 14 Jahren keine einzige Frau getroffen, die es unter Zwang macht“, sagt sie. Die Leiterin von Madonna räumt ein, in der gleichen Zeit eine Hand voll Fälle erlebt zu haben, bei denen es in diese Richtung gegangen sei. Das Gesetz würde „über die Köpfe“ der Sexarbeiter hinweg diskutiert und es würden etwa Mindeststandards für Bordells besprochen, ohne zu wissen, wie diese aussehen könnten, so Gabb.

Sexarbeit ohne Krankenversicherung

Für Ulrike Rothe wäre eine Anerkennung als Freiberuflerin wünschenswert. „Das wäre die passende Zuordnung“, sagt sie. Auch steuerrechtlich spiele Sexarbeit eine Sonderrolle. So führten viele der rund 200 erfassten Frauen in Bochum ihre Steuern pauschal über den Hausbetreiber ab, gelten aber als selbstständig (Düsseldorfer Verfahren), erläutert Gabb. Diese unklare Position in der Gesamtwirtschaft und Gesellschaft scheint ein Fass ohne Boden zu sein. So teilte das Bochumer Gesundheitsamt 2013 auf Grundlage einer Befragung im Rotlichtbezirk mit, dass 80 Prozent der Prostituierten in Bochum nicht krankenversichert seien.