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Dschihad statt Barbie: Warum immer mehr Mädchen unter 15 zu radikalen Salafistinnen werden

Dschihad statt Barbie: Warum immer mehr Mädchen unter 15 zu radikalen Salafistinnen werden

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Foto: Imago
  •  Unter radikalen Salafisten sind immer mehr Mädchen
  • Einige von ihnen wollen heiraten. Sie sind aber erst 13 oder 14 Jahre alt
  • Ein Grund: Archaische Vorstellungen von Sexualität – glauben Experten

Bochum. 

Was hast du gemacht, als du 13 warst? Vielleicht hast du gerade aufgehört, mit Lego zu spielen. Oder mit Barbies. Weißt du noch, was für Zukunftspläne du hattest? Vielleicht wolltest du Astronautin werden, Tierarzt – oder einfach erstmal ein bisschen reisen nach dem Abi, das irgendwo fern in der Zukunft lag.

In Deutschland gibt es immer mehr Jugendliche, die ganz andere Pläne haben: Sie wollen heiraten, nach Syrien ausreisen, in einen vermeintlich heiligen Krieg ziehen.

„30 Prozent der Jugendlichen sind Mädchen“

Auffällig: Vor allem immer mehr Mädchen schließen sich radikalen Salafisten-Gruppen an. „Wie beobachten diese Tendenz seit Jahresanfang verstärkt“, sagt Friederike Müller vom Bochumer Verein für Multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe IFAK.

Der Verein hat eine Beratungsstelle gegen Radikalisierungstendenzen. „Rund 30 Prozent der Jugendlichen in der Beratungsstelle sind inzwischen Mädchen. Manche davon sind erst 14. Das ist neu. Früher waren es fast ausschließlich junge Männer.“

„Die sind zu allem bereit“

Die Mädchen kommen häufig aus Familien, in denen Religion gar keine große Rolle spielt. Und plötzlich fangen sie an, Burka zu tragen. „Manche wollen dann wirklich nach Syrien ausreisen, die sind zu allem bereit.“

Auch Neriman Yaman kennt ein solches Mädchen. Yaman ist die Mutter von Yusuf T. Ihr Sohn hat im April 2016 einen Sprengsatz auf den Sikh-Tempel in Essen geworfen. Da war er gerade 16 Jahre alt. Innerhalb weniger Jahre hatte sich Yusuf immer mehr radikalisiert.

Yusuf T. war gerade erst 15 bei seiner „Hochzeit“

Auch Yusuf hat geheiratet – da war er gerade 15 Jahre alt. Ein deutscher Konvertit hat ihn und seine 15-jährige Freundin Nurcan (Name geändert) nach muslimischem Recht getraut. „Das Mädchen kam in einer Burka zu uns nach Hause. Mit so einem Netz vor dem Gesicht. Richtig unheimlich“, erzählt Yaman.

„Ich hab den Konvertiten, der die beiden getraut hat, angerufen und gesagt: ‚Wie kannst du Kinder verheiraten?‘“ Geholfen hat das nicht. Auch Nurcan habe immer wieder davon gesprochen, mit Yusuf nach Syrien ausreisen zu wollen.

Wieso heiraten Jugendliche, die kaum der Pubertät entwachsen sind? Wieso wollen sie ernsthaft in den Dschihad ziehen?

Unter Salafisten ist eine Ehe mit 13 Jahren möglich

Diese Fragen hat sich auch das Team vom IFAK-Projekt „#Selam“ gestellt. Das Team bildet Coaches aus, die in Moschee-Gemeinden und an Schulen Präventionsarbeit leisten.

„#Selam“-Koordinator Rasheed Issa glaubt: „Ein wichtiger Faktor ist der Umgang mit der Sexualität. Für manche Mädchen, die in eher konservativen Familien aufwachsen, ist das absolut tabu. Sex vor der Ehe ist verboten, für Jungen und für Mädchen.“

„Das ist Dschihadisten-Romantik“

Die Logik: Wer als junger Mensch Sex haben möchte, muss heiraten. Und bei verschiedenen Salafisten-Gruppierungen dürfen Jugendliche nach religiösem Verständnis schon mit 13 Jahren heiraten.

„Das ist Dschihadisten-Romantik“, sagt Issas Kollege Piotr Suder. „Die Jungen und Mädchen glauben, dass sie Geschichte schreiben. Dass sie zusammen etwas Großes aufbauen. Und dafür müssen sie nicht viel leisten. Sie müssen nur ‚gute‘ Muslime im Sinne der Salafisten sein.“

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