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Bochum: Schornsteinfegerin schafft, was vor ihr noch keiner Frau gelang

Julia Bothur aus Bochum arbeitet als Schornsteinfegerin. Ihr gelang nun ein Meilenstein, der für viele Frauen ein Vorbild sein könnte.

Bochum Schornsteinfegerin Julia Bothur
© Chaleen Goehrke/ DER WESTEN

Schornsteinfegerin aus Bochum ist Handwerkerin aus Leidenschaft

Wir haben Schornsteinfegerin Julia Bothur für einen Tag begleitet und gezeigt, warum Jobs im Handwerk nicht nur etwas für Männer sind.

Handwerk ist nur was für Männer? Diese alte Floskel gehört wohl eher ins Mittelalter, doch auch heute werden Frauen mit einem handwerklichen Beruf häufig noch belächelt und sind in der Unterzahl. Doch Julia Bothur aus Bochum ist ein Meilenstein gelungen.

Die 37-Jährige ist seit Juli 2023 die erste Frau im Vorstand des Bundesverbandes des Schornsteinfegerhandwerks. Damit ist sie auch zugleich das jüngste Vorstandsmitglied. Wie vielfältig ihr Job ist, das durfte ich bei einem Probetag selbst miterleben.

Bochum: Schornsteinfegern will Vorbild für andere Frauen sein

Für Julia Bothur war der Weg zur Schornsteinfegerin schon frühzeitig vorgeebnet. „Ich komme aus einer echten Handwerker-Familie. Mein Opa war Zimmermann und mein Onkel ist Dachdecker. Mein Vater sowie meine zehn Jahre ältere Schwester sind ebenfalls Schornsteinfeger. Als Kind wurde ich oft mitgenommen, und dann wusste ich eigentlich schnell, dass ich das auch machen möchte“, erinnert sie sich zurück.

Ein Tag im Leben von … ist der Titel unserer Reportage-Reihe bei DER WESTEN. Wir durften über einen bestimmten Zeitraum für einen Tag verschiedene Persönlichkeiten in ihrem (beruflichen) Alltag begleiten. Dabei haben wir erstaunliche Einblicke in den Job, die damit verbundenen Aufgaben, Schwierigkeiten und Chancen bekommen. Hier findest du alle Beiträge.

Inzwischen ist die Powerfrau aus Bochum Energieberaterin, Brandschutztechnikerin, Maschinenbauingenieurin, Dozentin an der Meisterschule – und nun auch Vorstandsmitglied des Bundesverbandes des Schornsteinfegerhandwerks. Außerdem hat sie Social Media für sich entdeckt und versucht auf diesem Weg Werbung für ihr Handwerk zu machen, um vor allem auch junge Mädchen für den Beruf zu begeistern.

Bochum Schornsteinfegerin Julia Bothur
Schornsteinfegerin Julia Bothur aus Bochum. Foto: Chaleen Goehrke/ DER WESTEN

Als Bezirksmeisterin ist sie für gleich mehrere Hundert Häuser in Herne zuständig. Zu ihrem wichtigen Aufgabenbereich gehört die Brandstättenschau. Auch an diesem Tag schauen wir uns verschiedene Öfen an. Julia muss die Betriebs- und Brandsicherheit prüfen. Die Untersuchung umfasst dabei auch die Abgasanlage, den Aufstellraum sowie die Luftzufuhr. Der Vorgang selbst dauert nur wenige Minuten, doch ich merke wie viel Technikwissen dahintersteckt. „Die Technik entwickelt sich immer weiter in Richtung erneuerbare Energien und Heizungstechnik. Das fand ich schon immer total spannend und im Gegensatz zu vielen anderen Frauen, fand ich auch Mathe in der Schule schon immer toll“, verrät die 37-Jährige.

In luftiger Höhe

Anschließend wird es spannend, denn es geht aufs Dach. Dafür fahren wir raus zu einem Kunden, dessen Schornstein gereinigt werden muss. Sofort schießt mir das Bild vom Schornsteinfeger in seiner klassischen Kluft, mit dem Hut auf dem Kopf und dem schwarzen Ruß im Gesicht, in den Kopf. Ob wir danach auch wie kleine Pandabären aussehen?

Julia Bothur ist eine Frau, die auf ihr Äußeres schaut. 2020 stand sie sogar in der engeren Auswahl für den Jahreskalender der Miss Handwerk. Gleichzeitig hat Julia kein Problem damit, sich schmutzig zu machen. Wenn die gemachten Nägel in Mitleidenschaft geraten oder das Make-Up im Gesicht am Tagesende durch den schwarzen Ruß ersetzt wird, dann spielt das keine Rolle. „Wozu gibt es Wasser und Seife?“, fragt sie und lacht. Kleiner Spoiler: Uns bleibt die Rußdusche an diesem Tag erspart.

Julia hat aus Sicherheitsgründen extra ein Flachdach ausgewählt – also ein Dach für Anfänger quasi. Denn manche Dächer sind extrem steil und selbst für erfahrene Schornsteinfeger noch eine Herausforderung. „Grundsätzlich musst du deine sieben Sinne auf dem Dach natürlich beisammenhaben. Es darf nie eine Routine reinkommen, und hinfallen kann man immer. Unfälle gibt es nämlich immer wieder. Ich hatte bisher Glück. Einmal bin ich nur ein Stück vom Dach gerutscht und das hat mir auch vollkommen gereicht“, betont die Bochumerin.

Das Glück ist mit den Schornsteinfegern

Wir haben Glück mit dem Wetter, denn die Sonne scheint und die Temperaturen sind angenehm warm. Doch wenn die Witterung ins Extreme schlägt, dann kann es für Schornsteinfeger auch schnell gefährlich werden. Bei Hitze wärmt sich das Dach nochmal mehr auf und man hat das Gefühl auf einem Dampfkessel zu stehen. Wenn es geregnet hat, besteht die Gefahr auszurutschen. Die Entscheidung aufs Dach zu klettern, liegt also im Ermessungsspielraum des Arbeiters. Denn eine hundertprozentige Sicherung gibt es nicht.

Die Aussicht von oben ist toll, doch allzu nah will ich mich nicht an den Rand wagen. Am Schornstein angekommen, darf ich mit Julias Anleitung nun selbst aktiv werden. Langsam wird die 20 Meter lange Kehrleine den Schornstein heruntergelassen – solange, bis es nicht mehr geht und kein Dreck mehr da ist. Ich merke, dass ein Proteinriegel am Morgen und ein Besuch im Fitnessstudio mir bei der Aufgabe vielleicht gutgetan hätten, denn die Kehrleine ist schwerer als gedacht.


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Nachdem diese Arbeit getan ist, steht Julia noch für Fragen ihrer Kunden bereit. Und in Zeiten der Energie- und Gaskrise sind das nicht wenige. Eine Frage, die auch fast täglich vorkomme, sei: ‚Frau Boruth, darf ich Sie mal anfassen? Sie bringen doch Glück.‘ Der Aberglaube, dass das Anfassen der Goldknöpfe oder der verrußten Uniform Glück bringt, hält sich schon seit dem Mittelalter. Auch als wir wieder wegfahren wollen, können sich Spaziergänger den Spruch nicht verkneifen. Schornsteinfegerin Julia Bothur schmunzelt nur, guckt mich an und sagt: „Siehst du?!“