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Nummer 19 ist besonders wertvoll

Nummer 19 ist besonders wertvoll

Rio de Janeiro. 

Als Michael Fred Phelps II in der Nacht zum Montag bei den Olympischen Spielen in Rio auf dem höchsten Podest stand und die US-Hymne erklang, überkamen sogar ihn die Tränen. Mit Caeleb Dressel, Ryan Held und Nathan Adrian hatte Phelps kurz zuvor das Gold über 4 mal 100 Meter Freistil geholt. Es war sein 19. Olympiasieg. Und doch ein besonderer. „Die Jungs haben geheult, da habe ich auch angefangen“, sagte Phelps.

Jeder wusste in diesem Moment, warum diese 19. Goldmedaille seit 2004 eine besondere war. Michael Phelps war seit den Spielen in London 2012 mehrfach am Abgrund. Alkoholprobleme. Depressionen. Selbstmordgedanken. Jeder andere wäre wohl daran zerbrochen. Und jetzt dieses Comeback in Rio de Janeiro. Das Gold mit der Staffel.

Wäre Phelps eine Nation, würde er im ewigen Medaillenspiegel der Sommerspiele mit seinen 19 Gold-, zwei Silber- und zwei Bronzemedaillen auf Platz 35 stehen. Vor Österreich, Argentinien und Jamaika.

Wir nennen 19 Gründe, warum Phelps der größte Olympionike ist.

1. Wassergefühl

Gleiten ist die Kunst des Schwimmens. Und keiner beherrscht sie so wie Phelps. Der 31-Jährige streichelt das Wasser. Eddie Reese, früherer US-Cheftrainer, fasste es so zusammen: „Der Letzte, der Wasser so beherrscht hat, war Moses.“

2. Körperbau

Schuhgröße 48,5. Spannweite der Arme: 2,04 Meter. 88 Kilo auf 1,95 Meter verteilt. Kurze Beine in der Proportion zum extrem langen Oberkörper. „Phelps liegt wie ein Surfbrett im Wasser“, sagt der frühere Olympiasieger Michael Groß.

3. Boomer

Seit drei Monaten ist Phelps Vater. Der kleine Boomer lag im roten Baby-Schlafsack mit weißen Sternen neben seiner Mutter Nicole Johnson auf der Tribüne und schlummerte. Papa kann ihm später von diesem Finale erzählen. „Boomer hat meinem Leben einen neuen Sinn gegeben“, sagt Phelps.

4. Mutter Deborah

Als sein Vater Fred Phelps die Familie verließ, war Michael Phelps erst acht Jahre alt. Ohne die Unterstützung und sicherlich auch ohne den Ehrgeiz der Mutter wäre er nicht zum Superstar geworden.

5. Schröpfen

Die braunen, kreisrunden Flecken auf Phelps’ Körper waren im Finale deutlich zu sehen. Es waren Spuren des Schröpfens. Die Haut wird mit kleinen Bechern per Pumpe eingesogen (siehe Kasten). Das regt die Durchblutung an und soll vor Muskelkater schützen.

6. Musik

Ohne die dicken Kopfhörer geht für Phelps vor den Rennen nichts. Lieblingsmusik: Lil Wayne, Kanye West, Jay-Z und Eminem.

7. Staffel-Gen

Wenn Phelps in der Staffel schwimmt, holt er das letzte Quäntchen Energie aus seinem Körper heraus. Die Niederlage vor vier Jahren gegen die Franzosen nervte ihn gewaltig. Revanche geglückt. Wie wild schlug er auf den Startblock ein, als das Resultat feststand. „Ich habe mich wieder in den Sport verliebt.“

8. Meadows-Klinik

Nach seiner Alkohol-Fahrt im Jahr 2014 wurde Phelps zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Mit Suizidgedanken ging er in die Suchtklinik, mit neuen Zielen verließ er das Sanatorium in Arizona.

9. Vielseitigkeit

Phelps ist ein Alleskönner. Er beherrscht alle Schwimm-Lagen. Nur so kann man zum Serien-Olympiasieger werden.

10. Patriotismus

Man muss in Zeiten eines Präsidentschaftskandidaten Donald Trump den US-Patriotismus nicht mögen, aber Phelps zieht Kraft daraus. Show oder Gefühl? Er schwärmte, dass er die US-Flagge tragen durfte.

11. Goldgier

Wer trotz 18-mal Gold den Rücktritt vom Rücktritt erklärt, muss gierig sein. „In London wollte ich nichts mehr mit dem Sport zu tun haben.“ Bis die Goldgier zurückkehrte.

12. Geld

Auch wenn er mit Fußballern, Golfern oder Tennisspielern nicht mithalten kann, hat Phelps sein Gold versilbert. Sein Gesamt-Einkommen durch Werbeverträge wird auf über 100 Millionen Dollar geschätzt. Tendenz nach den Spielen in Rio: weiter steigend.

13. Trainer

Ohne Bob Bowman wäre Phelps nicht das geworden, was er ist. Der Trainer betreut ihn seit über 20 Jahren. Längst ist der studierte Kinderpsychologe zum Ersatzvater geworden. Sein größter Verdienst: nicht die Medaillen, sondern die Beharrlichkeit, Phelps zurück in die Spur des Lebens zu bekommen.

14. Coolness

Manche sagen, es liege daran, dass er außer Schwimmen nichts beherrsche und deshalb nicht groß nachdenke. Jedenfalls scheint es ihm sportlich nicht geschadet zu haben.

15. Konzentration

Phelps versteht es, auf den Punkt topfit zu sein. Viele seiner Konkurrenten sind in der Vorbereitung stark und versagen dann zum Höhepunkt. Seine größte Leistung: 2008 erwartete die ganze Welt acht Goldmedaillen. Phelps blieb fokussiert — und schaffte es.

16. Philosophie

Der große Redner ist Phelps immer noch nicht, obwohl er viel dazu gelernt hat. Seine Philosophie ist so einfach wie effizient für ihn: Träumen, planen, siegen.

17. Beratungsfähigkeit

Es war sein wohl wichtigster Schritt. Viele Menschen mit Alkoholproblemen sind beratungsresistent, verharmlosen ihre Sucht. Phelps hat den Rat seiner Familie und seines Trainers angenommen. Seine Verlobte Nicole Johnson gibt ihm Halt. Es hat sich ausgezahlt.

18. Beharrlichkeit

2000 begann er seine olympische Karriere mit einem fünften Platz in Sydney. Noch gar nicht richtig ausgewachsen. „Ein paar Ohren mit Armen“, hieß es in einer Sportzeitung. Jetzt ist er zum fünften Mal dabei. In Rio will er noch über 100 und 200 Meter Schmetterling, über 200 Meter Lagen und in der US-Lagenstaffel starten. Offiziell beendet er dann seine Karriere. Sein Teamkollege Ryan Lochte sagt: „Michael werden wir auch 2020 in Tokio sehen.“

19. Doping?

Phelps wurde in seiner Karriere oft getestet, aber das ist keine Garantie für Sauberkeit. Mal sind es Löcher in den Wänden wie bei den Winterspielen in Sotschi, mal sind es korrupte Funktionäre, durch die Tests verschwinden. „Doping ist beschissen. Es ist scheiße!“, sagte Phelps in Rio. „Und das sage ich, weil ich nicht weiß, wie man sich fühlt, wenn man vor einem Rennen auf den Startblock steigt und denkt: In diesem Wettbewerb sind alle sauber.“