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Nie von Tönnies emanzipiert – Die Heldt-Bilanz auf Schalke

Nie von Tönnies emanzipiert – Die Heldt-Bilanz auf Schalke

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Foto: firo
Für Horst Heldt gehen am Samstag sechs Jahre auf Schalke zu Ende. Zum Abschied rät er Königsblau mehr Gelassenheit. Wir haben Bilanz gezogen.

Gelsenkirchen. 

Wie’s heute ausgeht, weiß Horst Heldt jetzt schon ganz genau. „Wehmut“, sagt Schalkes scheidender Manager, „wird am Samstag nicht da sein“. Nach dem Spiel bei 1899 Hoffenheim wird sich Horst Heldt von der Mannschaft, vom Trainer und von den Mitarbeitern verabschieden und seine eigenen Wege gehen. Um Punkt 24 Uhr tritt er von seinem Amt als Sportvorstand zurück, so ist es bereits schriftlich festgehalten. Dann sind fast sechs Jahre vorbei, in denen er Schalke geleitet und ganz sicher auch geliebt hat. Über Pfingsten kommt er nur noch einmal auf der Geschäftsstelle vorbei, um sein Büro auszuräumen und die Schlüssel abzugeben.

Ein Wunsch an Christian Heidel

Die letzten Monate waren nicht einfach für ihn: Seit Oktober wusste er, dass er auf Schalke keine Zukunft mehr hat, aber die zwischenzeitlichen Gedanken, alles hinzuwerfen, waren nie von Dauer. „Ich bin ein Stück weit stolz darauf“, verrät der 46-Jährige, „dass ich das so hinbekommen habe, wie ich es mir vorgenommen habe: Nämlich aufrecht hier raus zu gehen.“

Horst Heldt hat Größe bewiesen, und das bis zum letzten Tag. Das, was er Schalke für die Zukunft mit auf den Weg gibt, klingt ehrlich – und sollte ernst genommen werden, weil es aus der Erfahrung von sechs Jahren gesprochen ist. „Ich weiß nach den sechs Jahren, dass dieser Verein so eine Kraft hat, die eigentlich Berge versetzen kann“, erklärt Heldt: „Aber was hier manchmal stattfindet ist, dass alle so aufgeregt sind. Ich weiß, dass wir im Vorjahr schlechten Fußball gespielt haben, aber wir sind Sechster geworden – andere Vereine werden dafür gefeiert.“

Sein Rat geht an alle, die mit Schalke leiden: Ein bisschen mehr Gelassenheit im Umgang mit Höhen und Tiefen. „Dieser Verein ist nicht aufzuhalten, wenn man endlich mal begreift, nicht übereinander zu reden, sondern miteinander.“ Diese Ruhe hat er Schalke nie geben können – „vielleicht schafft es ja Christian Heidel“, sagt Horst Heldt, „es wäre schön“.

Die Bilanz von Horst Heldt zum Nachlesen 

Heldt wird Schalke vermissen

Er selbst wird sich erst einmal in den Urlaub verabschieden. Und dann, das weiß er jetzt schon, wird er auch Schalke vermissen. „Die Wehmut kommt erst viel später“, glaubt Horst Heldt, und den Zeitpunkt kennt er jetzt schon: „Wenn es wieder losgeht, und ich nicht mehr nach Gelsenkirchen fahre.“

Heldts erster Tag auf Schalke

Es war der 8. Juli 2010, als Horst Heldt von Clemens Tönnies (Mitte) auf Schalke vorgestellt wurde – er sollte den Allmächtigen Felix Magath (links) entlasten. Doch Magath war aus der Sommerpause verärgert zurückgekehrt und lehnte auch Heldt ab, mit dem er bis dahin eigentlich immer gut konnte – er ignorierte ihn nahezu. Das war demütigend für Heldt, der fortan in der Marketing-Abteilung beschäftigt wurde – bis er im März 2011 nach Magaths Rauswurf zum Manager auf Schalke befördert wurde.

Heldts Transfers

Kevin-Prince Boateng war der spektakulärste Neuzugang, den Horst Heldt geholt hat. Im ersten Jahr ging die Rechnung auf, im zweiten Jahr war der Prince ein Flop. „Ich stehe zu allen Entscheidungen“, sagt Heldt – auch zu den Transfers, die sich im Nachhinein als schlecht erwiesen haben. Zwei Namen? Chinedu Obasi oder Sidney Sam. Andere Namen? Ralf Fährmann und Leon Goretzka.

Heldt und die Finanz-Bilanz

Der Verkauf von Manuel Neuer war der wichtigste Deal von Horst Heldt: Schalke war nach der Magath-Zeit finanziell am Ende – der Klub brauchte Geld, um zu überleben. Heldt und Finanz-Vorstand Peter Peters rangen den Bayern über 30 Millionen Euro für Neuer ab, und vor einem Jahr kam mit dem Draxler-Verkauf noch ein 40-Millionen-Rekordtransfer oben drauf. „Wir haben 100 Millionen Euro Verbindlichkeiten abgebaut“, rechnet Heldt. Geld, das er dann nicht zur Verstärkung der Mannschaft investieren konnte.

Heldt und seine Trainer

Fünf Trainer hat Horst Heldt in den fünf Jahren als Manager nach Schalke geholt – ganz sicher wäre die Zahl geringer ausgefallen, wenn Ralf Rangnick (Bild links) nicht nach einem halben Jahr wegen seiner Burnout-Erkrankung zurückgetreten wäre. Rangnick war als Trainer für die Zukunft gedacht, Nachfolger Huub Stevens als Zwischenlösung. Doch nachdem Schalke mit Stevens die Champions League erreicht hatte, musste der Jahrhunderttrainer bleiben – Heldt hatte intern schon Abnutzungserscheinungen festgestellt. Die von ihm früh erwartete Trennung erfolgte dann ein halbes Jahr später: Heldt beförderte daraufhin den bisherigen B-Jugend-Trainer Jens Keller (Bild rechts) zum Chefcoach, der zweimal die Champions League erreichte. Zum Verhängnis wurde Heldt seine folgende Wahl mit Roberto Di Matteo, der nach einem Dreivierteljahr durch André Breitenreiter ersetzt wurde. Insgeheim hätte er zu den Keller-Zeiten gerne Thomas Tuchel verpflichtet – es ließ sich nicht realisieren.

Heldt und die Champions League

Dreimal in Folge erreichte Schalke unter Horst Heldt die Champions League – das hatten die Königsblauen bis dahin noch nie geschafft. Und Heldt erlebte mit Schalke auch zwei Fußball-Wunder in der Königsklasse: Am 5. April 2011, kurz nach seinem Amtsantritt, den 5:2-Sieg bei Inter Mailand, mit dem Schalke ins Halbfinale kam. Und am 10. März 2015 das denkwürdige 4:3 bei Real Madrid – nach dem 0:2 im Hinspiel fehlte nur ein Tor, um die Königlichen aus der Königsklasse zu werfen. Respekt.

Heldt und der Boss

Das Bild ist erst eine Woche alt – aber es sagt so viel aus: Horst Heldt hat sich von Vereinschef Clemens Tönnies nie lösen – oder emanzipieren – können. Wichtige Entscheidungen hat Heldt, auch wenn sie in seine Verantwortung fielen, mit Tönnies abgesprochen. Im Nachhinein weiß Heldt, dass er egoistischer hätte sein müssen, um Führungsstärke zu zeigen. Heldt kartet aber nicht nach: „Ich will die Zeit nicht missen“, sagt er, „auch nicht die Zusammenarbeit, von der ich von Anfang an wusste, wie sie funktioniert.“