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Die Spieler sind Maradonas Söhne

Die Spieler sind Maradonas Söhne

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Foto: AFP

Johannesburg. 

Argentiniens Trainer Diego Maradona will sein Team zu dem machen, was er selbst schon ist: Weltmeister. Am Samstag trifft die „Albiceleste“ auf Deutschland.

Der Mann im dunklen Anzug von der Fifa war, nun ja, ein wenig irritiert. Vier Fragen an Diego Maradona hatte er bei der Pressekonferenz nur zugelassen, und als diese gestellt waren, wollte er die Veranstaltung sogleich wieder beenden. „Warum?“, fiel ihm Maradona ins Wort: „Ich habe mich gerade warm geredet“. Und dann übernahm „El Dios“ selbst das Kommando. Noch Fragen? Natürlich. Denn es ist die Woche des Klassikers. Argentinien gegen Deutschland am Samstag im Viertelfinale in Kapstadt – viel mehr geht nicht bei so einer Weltmeisterschaft.

Gerade hatte Argentinien das Achtelfinale gegen Mexiko mit 3:1 gewonnen, und schon sprach alle Welt nur noch von dem Duell mit den Deutschen, das auch bei einem wie Maradona so viele Erinnerungen weckt. An das WM-Finale 1986, das Argentinien 3:2 gewann und dem Land den bislang letzten WM-Triumph bescherte – mit Maradona in der Blüte seiner Karriere als Kapitän. Aber auch an das Endspiel 1990 in Rom, als Andy Brehmes Elfmeter Deutschland zum Weltmeister machte und dem Spieler Maradona eine der bittersten Niederlagen zufügte. Schmerzhaft für die „Albiceleste“ auch das Aus im Viertelfinale 2006 in Berlin, aber dies war ohne das Mitwirken von Maradona geschehen, der damals andere Probleme mit dem Leben hatte. Doch nun heißt es nach 1986 und 1990 bei einer WM: Diego gegen Deutschland.

„Ach“, schmunzelte der 49-Jährige: „Lasst mich doch erst einmal den Sieg gegen Mexiko genießen“. Maradona mag ja der Ruf eines etwas durchgeknallten Selbstdarstellers vorauseilen, aber hier bei der WM nutzt er diese Bühne für sein Team. Er behandelt seine Spieler wie Söhne, denen er Antrieb, Unterstützung und Schutz gewährt, damit sie es ihm gleichtun: Nämlich Argentinien so zum Weltmeister zu machen, wie es ihm selbst 1986 gelang.

Vor der WM hatte Maradona über seine Mannschaft noch gesagt: „Argentinien – das ist Mascherano und zehn andere.“ Javier Mascherano, der Mittelfeldspieler vom FC Liverpool, ist sein Kapitän. Aber mittlerweile sind auch die anderen Spieler als Söhne adoptiert. Besonders Lionel Messi, von dem es noch in diesem Frühjahr hieß, es würde auf der ganzen Welt nur einen einzigen Trainer geben, der Messi stoppen könnte: Nämlich Diego Maradona.

Diesen Spott hatte man getrieben, weil Lionel Messi beim FC Barcelona einen Fußball wie von einem anderen Stern spielt, aber im Nationalteam bis dahin nicht an dieses Niveau herangekommen war. Doch nun gibt es keinen Zweifel mehr, dass für Argentinien der gleiche Messi spielt wie für Barca. Nur, dass ihm hier kurioserweise noch kein WM-Tor gelungen ist.

Darüber wollte Maradona lieber reden als über das kommende Spiel. Es sei „ein Skandal, was bei dieser WM mit Messi gemacht wird“, echauffierte er sich: „Ich habe den Eindruck, die Gegner schauen nicht nach dem Ball, sondern nur dahin, wo er seine Beine hat.“ Maradona wollte Messi den Schutz gewähren, denn er sieht in ihm den Künstler, der er selbst 1986 war.

Messi, Messi, Messi

Die vier Fragen, die der Fifa-Mann erlaubte, waren längst vorbei, und auch bei der von Maradona gewährten Verlängerung ging es immer nur um Messi, Messi, Messi. Bis sich „El Dios“ dann doch noch einmal mit dem nächsten Gegner beschäftigte: „Deutschland hat gegen England sehr gut gespielt“, sagte er, „aber es war ein Match, in dem es keine Zweikämpfe gab. England hat nicht dagegen gehalten, und so wird es am Samstag sicher nicht werden.“ Gewiss nicht. Es wird eher wie 1986 oder 1990 – ein Kampf auf Biegen und Brechen.

„Deutschland ist natürlich stärker als Mexiko“, sprach Maradona noch und beendete dann die Verlängerung. Er stand vom Podium auf und nahm noch den WM-Ball mit, der dort immer zur Zierde auf einem kleinen Pult liegt. Der Fifa-Mann im dunklen Anzug war irritiert, wollte ihn erst aufhalten – ließ ihn dann doch gewähren. Einen Maradona hält selbst die Fifa nicht auf.