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Die Angst des Schützen vorm Elfmeter

Die Angst des Schützen vorm Elfmeter

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Südafrika. 

Unentschieden nach Verlängerung. Was dann folgt, ist Stress pur: Elfmeterschießen. 40 Meter Fußmarsch von der Mittellinie bis zum ominösen Punkt. Schier unerträgliche Einsamkeit für einen Fußballer, obgleich ihn Millionen Menschen in aller Welt auf seinem Weg zum Geigerzähler für Nervenstärke und Schusskunst beobachten.

Elfmeterschießen. Heißt eigentlich gar nicht so im Regelwerk. Sondern „Schüsse von der Strafstoßmarke zur Ermittlung des Siegers“.Ungerechtes Vorführen überforderter Kicker oder einzige faire Möglichkeit, irgendwie doch noch einen Gewinner zu ermitteln? Was Deutsche dazu sagen mit ihrer makellosen WM-Bilanz, das dürfte klar sein: Vier Elfmeterschießen, vier Siege, nur der Schuss von Uli Stielike ging bei 18 deutschen Versuchen nicht ins Tor – da geht man mit breiter Brust in diesen Ausscheidungswettbewerb.

Aber wie fabriziert man den perfekten Elfmeter, pardon: Schuss von der Strafstoßmarke? Dass sich Universitäten in aller Welt mit dem Drama am Punkt befassen, zeigt die Faszination dieser Zitterpartie.

Präsentieren wir also die wissenschaftlich ermittelten Fakten. Wenn Deutschland und Argentinien am Samstag zum finalen Wettschießen antreten müssten oder sonst eine Partie nach 120 Minuten unentschieden steht, können Sie mit jeder Menge Fachwissen glänzen:

Vorteil Rechtfuß

Rechtsfüßer treffen öfter als Linksfüßer. Stürmer (Quote 75 Prozent) und sogar Verteidiger (72) jubeln öfter als Mittelfeldspieler (61).

Wer beginnt hat beste Chancen

Das Team, das den ersten Elfmeter schießt, gewinnt zu 60 Prozent. Achtung Mannschaftskapitäne: Der Sieger des Münzwurfs darf entscheiden, ob er anfangen oder den zweiten Elfmeter schießen will!

Lieber langsam anlaufen

Je schneller der Schütze nach dem Pfiff anläuft, desto schlechter ist die Trefferquote.

Wer sich vorab festlegt auf eine Ecke oder die Mitte, der hat eine 70-prozentige Trefferchance.

Diejenigen, die in bester Paul-Breitner-Manier auf eine Bewegung des Torhüters in eine Ecke warten, treffen zu 94 Prozent.

Ab 100 km/h chancenlos

Wer mit mindestens 100 km/h schießt, nimmt dem Torhüter die Chance auf eine späte Reaktion. Denn ein Schuss mit eben jenen 100 km/h passiert nach 0,4 Sekunden die Torlinie. Reaktionszeit (0,2 Sekunden) plus Sprungzeit (0,3 Sekunden) des Torhüters sind aufaddiert langsamer. Der Torwart, der also nicht einer Vorahnung folgt und frühzeitig in eine Ecke abtaucht, holt den Ball zumeist nur aus dem Netz, weil er einfach zu langsam ist.

Timing wichtig

Das Timing des Torhüters ist dennoch wichtig: Wer knapp vor dem Schuss in eine Richtung hechtet, hält den Ball zu 29,6 Prozent. Springt er schon vor der Ausholbewegung des Schützen, sinkt die Erfolgsquote drastisch (15,5 Prozent). Wartet der Keeper auf die Schussrichtung, ist er in 17,1 Prozent der Fälle Sieger des Duells. Auch nicht viel besser…

Wenn der Torwart den Winkel durch Vorlaufen verkürzt, werden seine Chancen größer. Er müsste allerdings vier Meter vor der Linie stehen, um das gesamte Tor abdecken zu können. Das verbietet das Regelwerk: Der Torhüter darf sich bis zum Schuss nur auf der Linie bewegen, nicht davor.

Hoch schießen

Noch ein Erfolgsschlüssel für die Schützen: Wer hoch schießt, trifft öfter. Passiert der Ball in mehr als 1,22 Metern Höhe die Torlinie, ist zu knapp 90 Prozent ein Treffer die Folge. Schüsse bis zu einer Höhe von 1,22 Metern gehen nur zu knapp 72 Prozent ins Tor.

Der Schuss hoch ins Tor ist technisch schwierig, ohne Frage. Aber nur 0,9 Prozent aller Elfmeter fliegen über die Latte. Frag’ nach bei Uli Hoeneß…

Psychologie wichtig

Die Psychologie des Elfmeterschießens trainieren? Schwierig, aber machbar. „Sonst halte ich von 20 Elfmetern nur einen“, sagte Jens Lehmann, nachdem er im Viertelfinale 2006 gegen Argentinien zwei Schüsse abgewehrt hatte. Der Zettel war’s…

England übte 2006 jeden Tag Elfmeter – und verschoss im Viertelfinale gegen Portugal dennoch drei! „Keiner meiner Schützen hat die Ecke gewählt, in die er sonst schießt“, klagte Trainer Sven-Göran Eriksson. „Alle haben ganz anders geschossen.“ Dumm gelaufen…