Ein drahtiger Kerl im Gelben Trikot unter dem Arc de Triomphe, daneben das Konterfei des wohl größten Radprofis aller Zeiten. 1,18 Euro kostet das gute Stück und findet seit dieser Woche an den Postschaltern in Belgien reißenden Absatz. Ob Briefmarken, Bücher oder spezielle Videos – die kleine Radsport-Nation feiert in diesen Tagen wieder mal ihren größten Volkshelden Eddy Merckx, der heute 65 Jahre alt wird.
Mit unglaublichen 445 Profisiegen hatte Edouard Louis Joseph Merckx, so sein vollständiger Name, zwischen 1965 und 1978 die Velo-Geschichtsbücher komplett umgeschrieben. Er gewann fünfmal die Tour de France, fünfmal den Giro, wurde viermal Weltmeister, und, und, und. Seinem Spitznamen „Kannibale“ machte er alle Ehre, der Nimmersatt des Radsports kannte nur eine Maxime. „Wenn ich ein Rennen gefahren bin, dann wollte ich es auch gewinnen – um jeden Preis“, sagt Merckx rückblickend.
Heimliches Training auf Rennrad des Onkels
Als er jüngst eine Reportage über sich im Fernsehen sah, war er selbst verblüfft. „1975 hatte ich 195 Renntage. Ich weiß bis heute nicht, wie ich das schaffen konnte“, sagt der in Meensel-Kiezegem geborene Ausnahmeathlet. Seine Gegner konnten ihm das damals wie heute auch nicht sagen.
Dabei sollte er gar nicht Radrennfahrer werden, Fußball oder Basketball sollte er spielen. So wollten es die Eltern. Also trainierte der kleine Eddy, der in seiner Kindheit die belgische Rad-Größe Stan Ockers verehrte, mit der ihm eigenen Verbissenheit heimlich auf dem Rennrad seines Onkels. Als die Eltern im Urlaub waren, fuhr er sein erstes Rennen und gewann. Und so ging es weiter. 1962 holte er im Alter von 17 Jahren 25 Siege in 48 Rennen. Da waren auch Vater und Mutter ruhig gestellt. Merckx schmiss die Schule, zwei Jahre später war er schon Weltmeister.
Kein Vergleich mit Armstrong
Eddy Merckx war wohl der kompletteste Rennfahrer, den es je gab. Er gewann Klassiker wie Paris-Roubaix oder Lüttich-Bastogne-Lüttich, er triumphierte bei den großen Rundfahrten, er gewann Etappen, und er stellte als exzellenter Zeitfahrer einen Stunden-Weltrekord auf.
Sich nur auf ein Rennen zu konzentrieren, kam ihm nicht in den Sinn. Deshalb lehnt er auch Vergleiche mit dem siebenmaligen Toursieger Lance Armstrong ab. „Man kann die Generationen nicht miteinander vergleichen. Was wäre gewesen, wenn der Weltkrieg nicht die Karriere von Fausto Coppi unterbrochen hätte? Man sollte versuchen, der beste Fahrer seiner Generation zu sein. Lance war es in seiner Zeit, ich in meiner“, sagt Merckx heute.
Positive Dopingprobe
Angesichts der unglaublichen Erfolgsserie lag der Verdacht des Unlauteren nicht fern. Das bekam Merckx beim Giro d“Italia 1969 zu spüren. Nach einer Reihe negativer Proben wurde ihm am Ende der dritten Woche doch noch ein verbotenes Mittel nachgewiesen.
Auf die Disqualifikation reagierte er empört und veranlasste die Untersuchung weiterer Proben, die im Gegensatz zu den offiziellen sauber waren. Zwar änderte das nichts mehr an seinem Ausschluss, doch seine Sperre wurde kurz darauf aufgehoben – wenige Wochen später folgte Merckx“ erster Tour-Sieg mit fast 18 Minuten Vorsprung auf den zweitplatzierten Franzosen Roger Pingeon.
Erst 1975 begann sein Stern zu sinken. Noch drei Jahre blieb Merckx dem Radsport treu, dann stieg er unspektakulär und ohne große Abschiedsszenen aus dem Sattel. In seine Fußstapfen konnte keiner seiner Landsleute mehr treten. Auch nicht sein Sohn Axel, der ein passabler Radprofi wurde.
Nach seiner aktiven Karriere machte Merckx senior als Geschäftsmann Karriere. Er gründete eine Fahrrad-Fabrik 15 Kilometer nördlich von Brüssel, die in diesem Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum feierte. Inzwischen sind die meisten Anteile der Firma verkauft, Merckx gönnt sich Zeit für Ruhe und Entspannung. Aber am 4. Juli wird es ja schon wieder laut vor seiner Haustür. Zu Ehren des Kannibalen führt die zweite Etappe der Tour de France von Rotterdam nach Brüssel.