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Zwei Thüringer betreiben einzige deutsche Bar in Jamaika

Zwei Thüringer betreiben einzige deutsche Bar in Jamaika

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Die beiden Thüringer Dela und Steffen Erhardt stehen am 23.10.2017 an der Theke ihres Restaurants "German Bar", in dem jamaikanischen Küstenort Negril. (zu dpa "Thüringen in Jamaika" am 12.11.2017) Foto: Georg Ismar/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++   Foto: Georg Ismar/dpa
Jenseits der „Jamaika-Koalition“ gibt es wenig deutsche Bezüge zu Jamaika. Aber ein Restaurant, gegründet von Thüringern.

Negril. 

Wenn man nicht aufpasst, fährt man vorbei. Die schmale Straße schlängelt sich am Meer in Negril entlang – viele Touristen kommen hierhin an die Westküste Jamaikas wegen der weißen Strände und der Klippen, von denen sich die Springer hinunterstürzen. Die „German Bar“ fällt aus dem Rahmen. Schwarz-Rot-Gold trifft Schwarz-Gelb-Grün.

Das einzige deutsche Restaurant in Jamaika

Eine deutsche und eine jamaikanische Fahne wehen im Wind, es ist das einzige deutsche Restaurant in Jamaika, rund 300 Deutsche leben auf der Karibikinsel, die sonst wenig Bezüge zu Deutschland hat. Jamaika ist ja in diesen Tagen 8500 Kilometer entfernt in Berlin in aller Munde – wegen der farblichen Parallele zur geplanten Koalition mit den Parteien CDU/CSU (schwarz), FDP (gelb) und den Grünen (grün).

„Nee, auf die Koalition hat mich noch niemand angesprochen“, sagt Steffen Erhardt (53), der in dem Laden am „One Love Drive“ mit seiner Frau Dela (50) seit sieben Jahren Pizza, Burger, Bratwurst und Schnitzel anbietet. Es ist, wenn man so will, eine thüringische Enklave inmitten von Rastafari und Reggae, mit leichter Meeresbrise. Die Beiden stammen aus Buttstädt bei Weimar. Nach der Wende machten sie eine Karibikreise und landeten auch in Jamaika, das packte sie.

Man muss hier viel improvisieren. „Die Erfahrung aus der DDR hat uns hier weitergebracht, das Umgehen mit Mangelwirtschaft.“ Bis zu 200 Essen servieren sie in der Bar am Abend, Hochsaison ist ab Dezember. „Ich liebe Deutschland, aber jeden Tag hatte ich dieselben Kunden im Restaurant und dachte: Ich muss hier weg“, erzählt Steffen Erhardt. Die vier Kinder blieben daheim, die Eltern starteten hier ein neues Leben.

Der Anfang in Jamaika war nicht leicht. „Es gibt hier eine knallharte Einwanderungspolitik, Du musst zeigen, dass Du Geld hast, 6000 Euro kostet eine Arbeitserlaubnis.“ Nach drei Jahren konnten sie dann eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis beantragen, beide sagen, sie hätten auch schon latenten Rassismus erfahren – als Weiße fühlen sie sich mitunter gegängelt und bei Behördengängen auch schon mal schikaniert.

„Wir sind Tester eines neuen Landes“

Rund 60.000 Euro haben sie in die Bar investiert, dazu für 750.000 Dollar das große weiße, zweigeschossige Haus am Meer nebenan erworben – ein Traum, wenn man morgens immer auf Strände und türkisfarbenes Meer schauen kann.

„Wir sind keine Auswanderer, wir sind Tester eines neuen Landes“, betont Erhardt. Stammgäste, die immer wieder kommen, sind vor allem amerikanische und kanadische Rentner, die in Jamaika überwintern. Ein Schweizer produziert in Montego Bay die Bratwürste, Salami und Schinken, Schweizer Käse für die Pizza wird importiert.

In Negril werden Ausländer mitunter kritisch beäugt, gerade wenn sie gutes Geld machen, ganz in der Nähe ist auch Rick’s Cafe. Bis zu 2000 Besucher feiern hier pro Tag. Von den Klippen springen Profis und Touristen in die Tiefe, im Pool werden Cocktails zum Sonnenuntergang geschlürft. Die Goldgrube gehört einem Amerikaner. Ein Problem ist überall die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Gegenüber der „German Bar“ steht ein 27-Jähriger, im Gespräch berichtet er, er habe die Schule abgebrochen, er schlägt sich mit dem Waschen von Autos durch.

Tourismus ist für viele eine Hoffnung

Aber der Tourismus ist für viele auch eine Hoffnung – er ist der wichtigste Devisenbringer Jamaikas – und wächst, dafür braucht es aber gut ausgebildetes Personal. Die Tourismusbehörde teilt auf Anfrage mit, dass 2016 2,18 Millionen Gäste kamen – plus 1,65 Millionen Passagiere von Kreuzfahrtschiffen, die kurz an Land gingen.

Während Steffen Erhardt nach Dienstschluss am Tresen berichtet, räumt ein älterer Angestellter, ein Rastafari mit beachtlichen Dreads, auf. Im Hintergrund läuft per Beamer im kleinen Innenhof auf Großleinwand ein Konzert der Rolling Stones, auch Fußball wird hier übertragen. Erhardt erzählt, dass der Import von Lebensmitteln, etwa des Käses für die Pizza sehr teuer sei. Ohnehin ist Jamaika nicht billig.

Erhardt und seine Frau sind wegen der entspannten Stimmung, des schönen Landes hier. Und haben sich doch getäuscht: „Wir dachten, wir könnten mal richtig chillen und arbeiten nun so viel wie noch nie. In der Hochsaison kommen ganze Busladungen.“

Schattenseiten im Paradies

Es gibt auch Schattenseiten, überall fliegt auch in Negril Müll herum, schwarze Müllbeutel und Styropor werden vom Meer angeschwemmt. „In den sieben Jahren hat sich die Lage eher verschlechtert, die Kriminalität ist gestiegen“, berichtet Steffen Erhardt. Ihnen sei aber noch nichts passiert – sie haben auch einen guten Wachhund.

Die Erhardts haben sich auch einen kleinen Pier neben der Bar gesichert, bald sollen hier Touristenfähren aus Montego Bay anlegen, das verspricht eine Wertsteigerung für Bar und Haus – dann wollen sie verkaufen. Von Gästen haben sie schon Jobangebote bekommen. Dela Erhardt hat kürzlich vier Monate als Köchin auf einem Ausflugsschiff in Kanada gut verdient. Da könnte es beide auch dauerhaft hinziehen. Eine andere Idee: Ein Restaurant in einer Stadt bei Washington, wo Freunde leben. Thüringen lautet das Ziel jedenfalls vorerst nicht. (dpa)