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Nachhaltiges Reisen – Neuer Markt für die Tourismusbranche

Nachhaltiges Reisen – Neuer Markt für die Tourismusbranche

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Nachhaltiges Reisen wird immer beliebter und entpuppt sich als ein neuer Markt für die Tourismusbranche. Diese Reisen sind nämlich sozialverträglich. Petra Thomas ist Vorstandsvorsitzende des Wirtschaftsverbandes „forum anders reisen“ und stand für ein Interview bereit.

Essen. 

Auf die Bahamas, nach Barbados und nach Uruguay kann man guten Gewissens reisen. Das jedenfalls sagt die US-Organisation „Ethical Traveler“: Die hat jetzt die zehn ethisch korrektesten Destinationen gekürt. Sozialverträglich und möglichst nachhaltig zu reisen wird immer beliebter – ein neuer Markt für die Tourismusbranche. Petra Thomas, Vorstandsvorsitzende des Wirtschaftsverbandes „forum anders reisen“, spricht über die Massentauglichkeit von Öko-Tourismus und modernen Ablasshandel.

Letztes Jahr bin ich nach Sardinien gereist – mit Auto und Fähre anstelle vom Flieger. Dabei habe ich ungefähr 120 Liter Super-Benzin verbraucht. Ganz guter Ansatz, oder?

Petra Thomas: Der Ansatz ist schon mal der richtige. Waren Sie allein unterwegs?

Wir waren zu zweit.

Petra Thomas: Das ist gut, denn je mehr Leute mitfahren, desto besser ist der Emissionswert pro Kopf. Zu Zielen, die zumutbar über Land erreichbar sind, sollte man möglichst mit PKW, Bus oder Bahn reisen.

Was ist eigentlich „anders reisen“?

Sie sind seit 2008 an der Spitze von „forum anders reisen“ (FAR). Was heißt das eigentlich – „anders reisen“?

Petra Thomas: Für uns ist das die Idee, eine nachhaltige Form des Tourismus ausdrücklich zu fördern. Wir wollen einerseits einen hohen Erlebnis- oder auch Erholungswert anbieten, zum anderen integrieren wir besonders umweltverträgliche und sozialverantwortliche Aspekte in die Reiseplanung.

Viele der Reisen, die FAR anbietet, sind Flugreisen. Wie passt das denn eigentlich zum Umwelt-Anspruch?

Petra Thomas: Das ist die Crux. Keiner von uns will mehr auf Flugreisen verzichten und Veranstalter, die im Fernreisesegment tätig sind, können keine anderen realistischen Möglichkeiten der Anreise als das Fliegen bieten. Was für Sardinien gilt, ist für eine Reise nach Asien schlechterdings nicht machbar. Da wäre man drei Wochen allein mit der Anreise beschäftigt. Deswegen muss man kompromissbereit sein. Aber wenn man schon eine Fernreise macht, sollte man möglichst lang im Zielgebiet bleiben, und möglichst viel von dem, was man an Geld für die Reise ausgibt, bei den Menschen im Zielgebiet lassen.

Flugreisende können Geld sparen

FAR arbeitet mit „atmosfair“ zusammen, eine Organisation, die Klimakompensation anbietet. Sprich: Flugreisende können Geld spenden, das in Umweltprojekte investiert wird. Ist das moderner Ablasshandel?

Petra Thomas: Gar nicht. Ich mag dieses Wort ehrlich gesagt nicht. Als Kunsthistorikerin weiß ich recht gut, dass es beim Ablass eben nicht um das Seelenheil der Gläubigen ging, sondern die Kirche sich einfach Geld für den Bau des Petersdoms eingeheimst hat. Das ist bei „atmosfair“ ja ganz anders. Das Spendengeld kommt Projekten in Entwicklungsländern zugute, die zum einen CO2 einsparen, und zum anderen soziale Aspekte innerhalb dieser Länder fördern. Vor Ort werden also die Lebensumstände der Menschen verbessert.

Entwicklungsländer – ein gutes Stichwort: Die US-Organisation „Ethical Traveler“ hat bezogen auf Schwellenländer eine Liste der politisch korrektesten Reiseziele herausgegeben. Wie bewerten Sie die Liste?

Petra Thomas: Die Grundaspekte, wie Menschenrechte und Schutz der Umwelt, sind Punkte, die wir auch berücksichtigen. Aber es geht bei „Ethical Traveler“ offenbar nicht um touristische Aspekte, sondern um ganz allgemeines ökologisches und soziales Verhalten innerhalb eines Landes. Man kann Länder schon danach bewerten, wie sie sich engagieren und das durch Tourismus gewissermaßen belohnen oder unterstützen. Aber ich glaube, dass der Tourismus von sich aus Anregungen geben kann. Wo wir eine Nachfrage erzeugen für eine bestimmte Art von Reisen, die eben nichts mit großen Hotelanlagen zu tun haben, verändert sich auch vor Ort was. Man kann da als Tourist Einfluss nehmen.

Ist nachhaltiges Reisen massentauglich?

Die Veranstalter, die beim „forum anders reisen“ sind, müssen einen Kriterienkatalog erfüllen. Dabei geht es um Nachhaltigkeit ökologischer und sozialer Art. Müssen immer alle Punkte erfüllt werden?

Petra Thomas: Der Katalog ist die Basis des Verbandes, der aber nicht in Stein gemeißelt ist, sondern sich über die Jahre immer wieder verändert und erweitert. Jedes Mitglied verpflichtet sich selbst, die Kriterien einzuhalten. Jeden Punkt zu kontrollieren, könnte der Verband gar nicht leisten. Deshalb fordern wir seit 2008 eine verpflichtende Zertifizierung. Das heißt, unsere Veranstalter müssen das CSR-Siegel vorweisen können, das Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung auszeichnet. Außerdem berichten alle Veranstalter regelmäßig transparent über ihre Tätigkeiten im Bereich des Tourismus. Das ist für den Reisenden nachvollziehbar.

Glauben Sie, dass der Markt für nachhaltiges Reisen massentauglich sein kann – oder ist das eine Nische?

Petra Thomas: Massentauglich klingt direkt so negativ. Wir leben im Tourismus davon, dass wir eine gesunde Umwelt verkaufen, eine schöne Landschaft und interessante Kulturen. Und wenn es keine gesunden Landschaften mehr gibt, geht uns unsere Basis verloren. Das heißt also, wenn man perspektivisch im Tourismus arbeiten möchte, dann muss man Dinge erhalten. Das funktioniert nur, wenn möglichst viele Menschen versuchen, sich an diesem Erhalt zu beteiligen. Diese Botschaft ist inzwischen auch bei den großen Veranstaltern angekommen – und gerade von denen geht letztlich ein multiplikatorischer Effekt aus, weil hier die Buchungszahlen natürlich viel größer sind, als etwa bei Mitgliedern des FAR.