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Warum fahren die irischen Tinker so dicke Autos? Experte klärt auf

Warum fahren die irischen Tinker so dicke Autos? Experte klärt auf

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Foto: Jürgen von Polier
  • Momentan ist eine große Gruppe irischer Traveller in NRW unterwegs
  • Viele Anwohner haben Bedenken – Städte wie Düsseldorf sprachen Platzverweise aus
  • Dabei seien die meisten Traveller sehr gastfreundlich, sagt Experte Sebastian Hesse

Essen. 

Seit einer Woche ist eine Gruppe irischer Traveller – in Deutschland auch Tinker genannt – in NRW unterwegs.

Städte wie Düsseldorf, Neuss und Kevelaer sprachen Platzverweise aus, als die Gruppe mit etwa 120 Wohnwagengespannen auf Plätzen auftauchte. Anwohner begegnen ihnen oftmals mit Misstrauen.

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Wer sind die Traveller? Wir haben mit Sebastian Hesse (54) gesprochen. Der Journalist und Fotograf hat eine Traveller-Gruppe zwei Jahre lang begleitet. 2013 veröffentlichte er einen Bildband über sie.

DER WESTEN: Porsche, Mercedes, schicke Wohnwagen: Warum fahren die Traveller so dicke Autos?

Sebastian Hesse: Ihre Autos und Wohnwagen sind ihre Statussymbole. Sie geben sonst kaum Geld aus. Die Caravans sind meist herausgeputzt – auch die Möbel sind oft teuer und repräsentativ.

Warum kommen sie nach Deutschland?

Es geht dabei ums Jobs. Die Irish Travellers reisen durch ganz Europa. Früher verdingten sie sich als Landarbeiter, heute oft als Handwerker im Baugewerbe. Nach 1989 kamen zum Beispiel viele Traveller nach Ostdeutschland, um auf Baustellen zu arbeiten.

Im Rheinland gab es mit Travellern in den letzten Jahren immer wieder Probleme. Stadt-Mitarbeiter beschreiben sie als „leicht beratungsresistent“. Sind sie kriminell?

Sie sind keine Engel, es sind auch mal Kriminelle darunter. Aber die meisten sind ehrlich. Oft haben sie mit Vorurteilen zu kämpfen. Dabei sind sie sehr gastfreundlich, wenn Anwohner auf sie zugehen. Für Gäste würden sie ihr letztes Hemd geben.

Was ist das besondere an ihrem Lebensstil?

Sie haben eine Jahrhunderte alte Tradition als fahrende Leute. Im Gegensatz zu Nomadengruppen auf dem europäischen Festland haben sie ihre Identität nicht verloren. Ihre Kultur beruht stark auf Erzähltraditionen. Nachrichten werden zum Beispiel gesungen. Sie sprechen ein altertümliches Gälisch, das in Irland heute sonst gar nicht mehr gesprochen wird. Und sie sind sehr katholisch. Die heutige Generation hat ein starkes Endzeitbewusstsein und lebt mit der Angst, dass die eigene Kultur ausstirbt.

Woran liegt das?

In Großbritannien gibt es viele Vorurteile, Traveller werden dort stark diffamiert. TV-Shows wie „My Big Fat Gipsy Wedding“ (deutsch: „Meine große Zigeuner-Hochzeit“), bei denen opulente Hochzeiten gezeigt werden, haben Vorurteile verstärkt. Außerdem ist ihr Lebensstil heute kaum mehr möglich. Gerade Frauen werden daher oft sesshaft. Das wiederum führt zu Problemen mit Anwohnern und städtischen Vorschriften.

Weiterlesen: Reise ins Ungewisse. Irlands Landfahrer am Scheideweg – Journey in the Dark. Irish Nomads at the Crossroads, 2013.