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Prozess: Tochter getötet, weil sie nicht ruhig sein wollte

Prozess: Tochter getötet, weil sie nicht ruhig sein wollte

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Foto: Kai Kitschenberg
20-Jähriger Ratinger steht in Düsseldorf wegen Totschlags vor Gericht. Das 16 Monate alte Mädchen starb an einem Schütteltrauma.

Düsseldorf. 

Es ist die entscheidende Frage, die Richter Rainer Drees der Zeugin S. an diesem traurigen Tag im Saal E 137 des Düsseldorfer Landgerichts stellt: Warum plant ein so junges Paar Nachwuchs, das mit sich selbst doch genug zu tun hat? – „Schon ihre berufliche Situation war ja nicht rosig!“. Darüber hätten sie gesprochen, gibt die 20-Jährige zu. Und dann wohl alle Probleme weggeschoben, weil die Sehnsucht, eine Familie zu gründen, ein Zuhause zu schaffen stärker war, bei ihr und ganz sicher auch bei ihm. Doch es hat nicht geklappt, etwas ist furchtbar schief gegangen und Pascal K. (20) aus Ratingen steht nun wegen Totschlags und schwerer Misshandlung der gemeinsamen Tochter vor Gericht. Das Mädchen wurde nur 16 Monate alt.

Die Trauer ist förmlich zu greifen an diesem ersten Prozesstag, die junge Mutter weint während ihrer Aussage immer wieder bitterlich, auch darüber, dass „ich diesem Menschen, von dem ich das nie gedacht hätte, mein Kind überlassen habe“. Aber es ist kein Hass zu spüren, nur die Fassungslosigkeit.

In der Nacht nochmehrfach telefoniert

Es gibt sogar Blickkontakt zwischen dem einstigen Paar, als sie hinausgeht, weil sie nicht ertragen will, was der Staatsanwalt in seiner Anklageschrift vorlesen wird und danach der Gerichtsmediziner an grausamen Details erläutert. Der Angeklagte Pascal K. wird an diesem ersten Tag unter Tränen eine Erklärung verlesen, die die Ereignisse in der Nacht vom 5. auf den 6. März 2016 beschreibt. Er ist voll geständig und wird beteuern, dass er niemals seine Tochter habe verletzen, geschweige denn töten wollen.

Und doch ist es so geschehen. Laut Anklageschrift habe sich K., damals 19, „in seiner Freizeitbeschäftigung gestört gefühlt“, als seine Tochter, auf die er an diesem Abend aufpassen sollte, angefangen habe zu weinen. Da sie sich nicht habe wickeln lassen, sei er grob, schließlich brutal geworden, habe das Kind mit seiner Kraft niedergedrückt. Nachdem sich das Mädchen schließlich auch noch selbst mit dem Inhalt einer Milchflasche übergossen habe, soll er die Kleine mit den Worten „es reicht“ mehrmals heftig hin- und hergeschüttelt haben, und sie zurück ins Bett gelegt haben. Als Todesursache wird später ein Herz- und Kreislaufversagen durch ein Schütteltrauma festgestellt .

Noch in der Nacht schickt Pascal K. der Kindsmutter eine Nachricht, dass die Tochter friedlich schlafe. S. hat sich mit Freundinnen zum Feiern verabredet, es war eine spontane Idee, doch auch der getrennt von Mutter und Kind lebende Pascal K. stimmt zu: „Das hast du verdienst, du bist ja sonst immer zuhause“. Als S. heimkommt, ist alles ruhig, Pascal K. schläft. Am Morgen bricht er auf, wenig später entdeckt die Mutter das leblose Kind im Bett: „Was ist hier passiert“, fragt sie Pascal K. fassungslos am Telefon.

Auch die schriftliche Einlassung des Angeklagten kann nur versuchen, zu erklären. Pascal K. schildert, dass er vor dem Babysitten Joints geraucht habe. Dass sich die Kleine nicht habe beruhigen lassen, dass er mit der Situation zunehmend überfordert gewesen sei und es schließlich „der pure Stress“ gewesen sei. Und er erzählt von seiner Drogensucht, die mit zwölf Jahren anfing. Er habe Amphetamine, Extasy, Marihuana konsumiert, habe viele Probleme in Schule und Beruf gehabt. Er gibt zu, aufbrausend zu sein, aber auch schnell wieder runterzukommen.

Mit zwölf das ersteMal ein Paar

Da mag die Beziehung zu S. ein Halt gewesen sein, zeitweise. Vor acht Jahren kamen die beiden zum ersten Mal zusammen, schildert die Zeugin, da waren sie zwölf Jahre alt, Kinder, und so ganz weit sind sie auch jetzt nicht davon entfernt. Dann gab es eine Funkstille, eine Weile lebte Pascal K. in Hamburg, bis man vor drei Jahren wieder Kontakt aufnahm.

Das Baby sei ein Wunschkind gewesen, und in letzter Zeit habe es gut geklappt zu dritt, auch wenn der Drogenkonsum des jungen Vater Anlass zu Streitigkeiten gab: „Wir wollten zusammenziehen. Wir waren auf einem guten Weg“, sagt sie. Hilfen gab es auch, vom Jugendamt, aus der Verwandtschaft.

Was denn ihre Tochter für ein Kind gewesen sei, fragt der Richter: „Sie war etwas schüchtern, aber glücklich und hat immer gelacht“, erzählt die Mutter unter Tränen. Pascal sei anfangs stolz auf seine Tochter gewesen, habe sich jedoch dann nicht mehr viel gekümmert. Es sei jedoch nicht das erste Mal gewesen, dass er auf sie aufgepasst habe: „Ich habe ihn als temperamentvollen und liebevollen Menschen kennengelernt“, sagt sie.

Und dann erzählt sie noch, dass er ihr Briefe aus der Haft geschrieben habe. Und dass sie nur auf einen einzigen geantwortet habe: „Ich habe ihn gefragt, warum.“