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Problemfall: Stadtbahnen

Problemfall: Stadtbahnen

An Rhein und Ruhr. 

In Nordrhein-Westfalen müssen Straßenbahnen und U-Bahnen in den kommenden Jahren mit einem Milliardenaufwand erneuert werden. „Wir schätzen, dass wir bis 2025 pro Jahr 220 Millionen Euro brauchen, nur für die Infrastruktur“, sagte Ulrich Jaeger, Vorsitzender der Landesgruppe im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Hinzu kämen noch einmal etwa 160 Millionen Euro jährlich für Stadtbahn-Fahrzeuge.

Jaeger kritisierte, dass es öffentliche Gelder für den Neubau etwa von U-Bahnen gebe, später aber nicht angemessen in den Erhalt investiert werden könne. Im Ruhrgebiet sei die Hauptaufgabe derzeit der Erhalt der teils jahrzehntealten Infrastruktur. In einigen Städten im Ruhrgebiet drohe deshalb die Stilllegung von Straßenbahn-Strecken – und das angesichts steigender Fahrgastzahlen beim öffentlichen Personen-Nahverkehr. Im vergangenen Jahr waren NRW-weit etwa 2,5 Milliarden Menschen mit Bus und Bahn unterwegs.

Ministerium will neuesGutachten vergeben

Ganz erhebliche Kosten fallen an, wenn Stadtbahnanlagen nachgerüstet werden müssen, weil Technik veraltet ist und sogar Hersteller gar keine Ersatzteile mehr bereithalten. Aber auch wenn neue Brandschutzvorschriften anstehen wird es teuer. Der VDV hatte – schon vor einiger Zeit – für ein Gutachten die elf Verkehrsunternehmen mit U-Bahn und Stadtbahnen in NRW nach ihrem Investitionsbedarf für Erneuerungsmaßnahmen befragt. Da die Studie auf Meldungen der Betriebe beruht, will das NRW-Verkehrsministerium den Erhaltungszustand durch ein weiteres Gutachten nach einheitlichem Maßstab erfassen. Laut Ministerium steht die Vergabe bevor.

Wie groß der Investitionsdruck vor Ort ist, zeigt beispielsweise der Blick nach Essen. Dort geht das Verkehrsunternehmen Evag davon aus, in den nächsten zehn Jahren 400 Mio Euro ausgeben zu müssen — Geld, das für den Erhalt der Infrastruktur nötig ist, für die Modernisierung der Zugsicherung, den Oberleitungsbau und die Kosten für die Barrierefreiheit. Die Gesamtfinanzierung ist unklar. Zuletzt wurde im Jahre 2014 eine 14 Mio Euro teure Straßenbahn-Trasse für die Linie 109 über den Berthold-Beitz-Boulevard eröffnet. Im Vorjahr hatte die Evag ihre Investitionsliste für den Schienenverkehr bis 2015 aktualisiert, darunter 162 Mio für die Streckenerneuerung, 64 Millionen für die Stationen, 29 Mio für Nachrüstungen und 118 Mio für neue Schienenfahrzeuge. Das Geld dafür hat die Evag nicht.

Auch in Mülheim sind die Fahrzeuge überaltert, der Investitionsstau geht in die dreistelligen Millionen. Damit der Bahnverkehr überhaupt noch in den nächsten Jahren funktioniert, wollte die Verkehrsgesellschaft MVG 20 neue Bahnen anschaffen. 15 hatte die Stadt letztlich bestellt. Die Politik hat angesichts der Haushaltslage beschlossen, die Investitionen aufs Nötigste zu beschränken. Ein wenig frequentiertes Straßenbahn-Teilstück zwischen Hauptfriedhof und Flughafen hat Mülheim bereits 2012 stillgelegt, im Oktober vergangenen Jahres rollte die Linie 110 zwischen Styrum und Holthausen aus. Das jährliche Defizit bei der MVG steigt von Jahr zu Jahr, liegt derzeit bei rund 35 Mio Euro. Hendrik Dönnebrink, Chef der städtischen Beteiligungsholding, unter deren Dach die MVG steht, hat vor zwei Jahren vorgerechnet: „Wir investieren allein in den nächsten Jahren 150 Mio Euro in das System, um damit in den kommenden 30 Jahren 600 Mio Euro Verlust einzufahren.“ Seit Jahren stehen die Straßen- und U-Bahnen als Kostentreiber in der Kritik. Die CDU stellt in Mülheim längst die Frage, ob es nicht möglich ist, aus dem Straßenbahnverkehr komplett aus- und auf Busse umzusteigen. Ein Umstieg ist aber nicht einfach – auch weil es direkte Verbindungen mit den Nachbarstädten Essen und Duisburg gibt. Deshalb bleibt der Ansatz „Bus statt Bahn“ bislang in der Diskussion stecken.

In Duisburg stand die seit 1990 als Stadtbahn ausgebaut fahrende U 79 zwischen Düsseldorf und Duisburg lange auf der Kippe. Denn in der Ruhrgebietsstadt fehlte das Geld für ein neues Zugsicherungssystem. Eine Ausschreibung mit Düsseldorf scheiterte an den leeren Kassen in Duisburg. Schließlich brachte der Stadtrat das Projekt doch auf den Weg. Das Land will einen Großteil der Kosten übernehmen.