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Obdachlose Elli (48) in Düsseldorf erfroren. Ihr Tagebuch ist bewegend – und furchtbar traurig

Obdachlose Elli (48) in Düsseldorf erfroren. Ihr Tagebuch ist bewegend – und furchtbar traurig

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Elvira Nagel (48) starb mitten auf der Straße am Kom(m)ödchen in Düsseldorf (Fotomontage). Foto: Ingo Lammert
  • Obdachlose Elli (48) erfror mitten in der Düsseldorfer Altstadt
  • Die halbe Stadt hat Elli gekannt. Sie war immer für andere da
  • Sie hinterlässt ihr Vermächtnis in einem Buch in einer Kirche

Düsseldorf. 

Unter einem Vorsprung an der Mauer des Theaters „Kom(m)ödchen“ verbrachte Elvira „Elli“ Nagel (48) in den letzten Monaten Tag und Nacht. Bei Wind. Bei Regen. Bei Kälte und Frost.

Am 28. Dezember der Schock: Elli ist tot. Über Nacht erforen auf ihrer „Platte“ – ganz allein.

Eine wahre Freundin

Sabine Dickmann war ihre älteste Freundin. Sie kann es kaum fassen: „Elli war immer so lebenslustig – sie hatte für jeden ein offenes Ohr“, trauert die 33-Jährige.

Sie vermisst Elli: ihr Lachen, ihre Offenheit. Auch die Konflikte. „Daran erkennt man die besten Freunde“, findet sie. Denn Elli konnte gut verzeihen. „Am nächsten Tag war alles wieder gut“, erinnert sie sich.

Die halbe Stadt hat Elli gekannt. Sie verkaufte die Obdachlosen-Zeitung „Fiftyfifty“ und gehörte zum Beirat. In ihrem kurzen Leben übernahm sie Verantwortung. Und plötzlich war sie weg.

Doch sie hat etwas hinterlassen: Ein öffentlich zugängliches Buch in der Andreaskirche auf der anderen Straßenseite gibt Einblicke in ihre Gefühlswelt.

Regelmäßig schrieb Elli in das Buch. Es zeigt ihre Verzweiflung in den letzten Monaten. Denn nach dem Tod ihrer Mutter vor zwei Jahren verließ die Lebenskraft sie immer mehr. Die kalten Tage und die Trauer bekämpfte sie mit Alkohol.

„Ich ertrage die kalten einsamen Nächte nur durch Alkohol. Ich vermiss Dich so, Mama“, schrieb sie verzweifelt.

Sie hielt den harten Winter auf der Straße kaum aus. Doch: „Meine innere Kälte wiegt schlimmer.“

Ihre Freunde haben in den letzten Wochen immer wieder versucht, sie von der Straße wegzuholen. Doch Elli konnte nicht, wollte nicht. Vielleicht hatte sie sich da schon aufgegeben.

Ein Ventil für ihren Schmerz

Pater Manfred aus der Andreaskirche wusste um ihre innere Zerissenheit. Mit Bedauern beobachtete er, wie sie sich immer weiter in sich zurückzog.

Über das Buch sprach er noch zwei Tage vor Weihnachten mit Elli. Der Gedanke, dass ihre Worte in die Gebete der Gläubigen eingeschlossen werden, spendete ihr Trost. Auch deshalb sind ihre Worte weiter öffentlich zu lesen.

An ihrem Schlafplatz haben ihre Freunde einen Ort des Gedenkens errichtet. Blumen, Kerzen und Bilder erinnern an die Obdachlose.

Am Donnerstag kam auch ihr Bruder. Er teilte den Freunden mit, dass Elli in Erkelenz beerdigt werde. Bei ihrer Mutter. Der Gedanke tröstet die Trauernden in der Altstadt. Sie haben Geld gesammelt und wollen jetzt gemeinsam mit dem Bruder einen Kranz bestellen.

„Elli, wir werden dich nie vergessen!“

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