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NRW: Wenn Kinder zu Tätern werden – Juristin hat DIESE Forderung

NRW: Wenn Kinder zu Tätern werden – Juristin hat DIESE Forderung

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Immer wieder fügen Kinder anderen Kindern oder Erwachsenen Grausamkeiten zu - auch in NRW. Wer unter 14 Jahren ist, ist jedoch strafunmündig. Eine Anwendung des Jugendstrafrechts ist nicht möglich. Dennoch bleibt das Handeln der Kinder nicht ohne Konsequenzen. (Symbolbild) Foto: imago/photothek

Immer wieder erschüttern uns Fälle über Kinder, die anderen Kindern oder Erwachsenen etwas Grausames antun. Auch in NRW gab es in diesem Jahr bereits einige Vorkommnisse.

Denn Kinder unter 14 Jahren sie laut Gesetzt strafunmündig, weswegen keine Jugendstrafe gegen sie verhängt werden darf. Doch was passiert mit den Jugendlichen, die trotz ihres jungen Alters schon auffällig wurden? Juristin Britta Schülke von der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NRW zeigt gegenüber DER WESTEN die Konsequenzen auf.

NRW: Diese Fälle schockieren

Wenn Kinder zu Tätern werden, erschüttert dies die Medien und weite Teile der Bevölkerung. Auch in NRW kam es dieses Jahr zu solchen Fällen. Bei einer Vergewaltigung im Hofgarten in Düsseldorf, war die jüngste Tatverdächtige gerade einmal 14 Jahre und alt. Damit also gerade strafmündig.

In einem anderen Fall in Mönchengladbach raubten ein Elf- sowie ein Zwölfjähriger gemeinsam mit einem 15-Jährigen zwei Seniorinnen aus. Auch außerhalb von NRW gibt es krasse Fälle. 2016 tötete ein 13-Jähriger einen gleichaltrigen Jungen in Bad Schmiedeberg.

Welche Konsequenzen drohen Kindern?

Tatbeteiligte in diesen beiden Fällen waren jünger als 14. Das Jugendstrafrecht darf bei ihnen nicht angewendet werden. Doch welche Konsequenzen drohen eigentlich Kindern, die durch eine Straftat auffällig geworden sind?

Das erklärt Juristin Britta Schülke. Sie ist für Rechtsauskünfte und Fragen rund um den erzieherischen Jugendschutz für die Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NRW zuständig.

„Wird ein Kind beispielsweise durch kriminelles Verhalten in der Schule auffällig, werden die Erziehungsberechtigten benachrichtigt und die Schule kann auch das Jugendamt informieren. Das würde auf die Familie zugehen und prüfen, ob es Bedarf gibt, die Familie engmaschiger zu betreuen“, so Schülke über die ersten Schritte, die in der Regel eingeleitet werden.

Jugendamt mit Maßnahmenkatalog

Maßnahmen könnten Hilfe bei der Erziehung, ambulante Tagesbetreuung, intensive Einzeltherapiemaßnahmen oder der temporäre Aufenthalt in einer geschlossenen Unterbringung beinhalten.

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Die Herausnahme aus der Familie bzw. die Entziehung des Sorgerechts, Unterbringung im Heim oder Pflegefamilie seien die stärksten Eingriffe, die das Familiengericht nach Rücksprache mit Jugendamt anordnen könnte.

Delikte werden „öffentlichkeitswirksamer“

Die Statistik zeige keine signifikante Steigerung der von Kindern begangenen Delikte in den vergangenen Jahren. Subjektiv könne das anders wahrgenommen werden, da es sich inzwischen häufig um öffentlichkeitswirksamere Delikte handele, so Schülke weiter.

„Es gibt Veränderungen in der Art der Delikte. Auffällig dabei ist: Die Zahl sexueller Übergriffe jeglicher Art von Kindern an Kindern ist gestiegen. Das liegt auch am möglicherweise unreflektierten Umgang mit Aspekten wie Mobbing, Sexting oder Cyber-Grooming. Viele schulhoftypischen Vorfälle finden nicht mehr im analogen, sondern im digitalen Raum, wo die Hemmschwelle aufgrund vermeintlicher Anonymität und mangels direktem Kontakt häufig niedriger sei, statt.“

Cyber-Grooming bezeichnet das gezielte Ansprechen von anderen Personen im Internet mit dem Ziel, mit ihnen Sex zu haben.

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Die Polizeiliche Kriminalstatistik unterstützt diese Einschätzung. 2018 gab es mehr als 2.100 Straftaten, die von Kindern unter 14 begangen wurden. Im Jahr 2012 lag diese Zahl noch bei 992.

Geldstrafen und soziale Arbeiten

Britta Schülke betont: „Nur weil jemand strafunmündig ist, heißt das nicht, dass er nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.“ Neben den Maßnahmen durch das Jugendamt drohen auch zivilrechtliche Konsequenzen. Hier beginnt bereits mit sieben Jahren die Haftungsfähigkeit.

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Verschickt ein Zwölfjähriger zum Beispiel Nacktbilder einer Klassenkameradin, drohen „Geldstrafen oder Auflagen wie die Verrichtung von Sozialstunden.“ Bei einem Schmerzensgeld durch verschickte Bilder gehe es mitunter um Summen von mehreren Tausend Euro.

„Die hat ein Zwölfjähriger natürlich nicht. Aber der Titel vom Zivilgericht ist 30 Jahre gültig. Das heißt: Wenn er einmal selbst Geld verdient, muss er das bezahlen. Da kann auch Eltern geraten werden, das nicht zu übernehmen“, so die 38-Jährige.

Absenkung des Alters im Jugendgesetz eine Möglichkeit?

Was eine Absenkung des Alters der Strafmündigkeit betrifft, ist die Juristin unentschlossen. Sie formulierte jedoch eine klare Forderung: Wichtiger sei es, Kinder unabhängig ihres Alters zu vermitteln, dass ihr Verhalten Konsequenzen habe.

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Das fange häufig schon damit an, dass Mobbing in der Schule ignoriert oder verharmlost werde: „Was ist das für ein Signal an den Täter und das Opfer? Ich habe oft das Gefühl, dass wir Dinge nicht richtig angehen. Stattdessen werden sie lange unter den Teppich gekehrt.“ Zudem fehle vielen Institutionen Handlungskonzepte und das Wissen, an wen sie sich bei krassen Grenzverletzungen wenden können und wie angemessen reagiert werden sollte.

Auch in Bezug auf die Vermittlung von Medienkompetenzen existierten noch schwerwiegende Lücken – vor allem an Grundschulen. Dabei nutzt inzwischen jedes zweite Kind in Deutschland regelmäßig ein Smartphone. Schon im Alter von zehn Jahren haben drei von vier Kindern ein eigenes Handy. (dav)