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Meditation und Lagerfeuer – Vodafone bietet „Zukunfts-Büro“

Meditation und Lagerfeuer – Vodafone bietet „Zukunfts-Büro“

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Foto: Funke Foto Services
Vodafone schafft moderne Arbeitswelten: Kein fester Schreibtisch, Meditationsräume, elektronische Lagerfeuer. Und trotzdem darf man Zuhause bleiben.

Düsseldorf. 

Die Zukunft der Arbeit beginnt mit einem Verzicht. Und zwar ganz oben. Bei Personalgeschäftsführer Dirk Barnard. Im elften Stock des Vodafone Towers in Düsseldorf. Er hat kein Vorzimmer, kein Büro, in dem er die Tür hinter sich zumachen kann, keinen Bildschirm, keinen Rechner und kein Telefon. Nur einen Lieblingsplatz am Fenster, auf den er sich heute morgen mal wieder hingesetzt hat. Mit weißem, schmucklosen Tisch, Laptop und Smartphone.

Als er Urlaub hatte, hat hier jemand anders gesessen. Vielleicht der Praktikant. Durch die große Glasfensterfront schaut der 49-Jährige nach draußen – auf Düsseldorf, das gerade von der Sonne wach geküsst wird. Barnard deutet nach unten auf das Parkdeck: „Das ist wie ein Thermometer für mich. Daran kann ich ablesen, wie viele Mitarbeiter im Haus sind. Das ist aber selten komplett voll.“

Weg von der Präsenzkultur

Der Praktikant sitzt auf dem Chefplatz? Ein Großteil der Mitarbeiter bleibt zuhause? Was andere beunruhigen würde, sieht Barnard entspannt. Er hat es so gewollt. „Natürlich mussten wir uns auch umgewöhnen. Aber das hier ist jetzt eine ganz neue Welt.“

Es ist der 1. April 2013, als für die 5000 Vodafone-Mitarbeiter die Zukunft der Arbeit beginnt, die neue Welt, von der Dirk Barnard spricht. Der dreimonatige Umzug in die neue Zentrale, auf den sogenannten Campus in Düsseldorf-Heerdt, ist abgeschlossen. Jetzt gibt es keine Einzelbüros mehr. Jeder darf sich dort hinsetzen, wo er sich wohlfühlt. Die Hälfte der Arbeitszeit müssen die Mitarbeiter nicht auf dem Gelände verbringen. Die Firma hat sie dafür mit Smartphone und Laptop ausgestattet: Weg von der Präsenz-, hin zur Ergebniskultur, das wünscht sich der Chef. „Wir geben jedem Einzelnen hier eine größere Autonomie, wollen die Arbeit mehr wertschätzen“, sagt Barnard.

Im Tipi beim elektronischen Lagerfeuer

Hochmodern und digitalisiert – so präsentiert sich der neue Arbeitsplatz. Wer die gläserne Eingangshalle des 75 Meter hohen Turms betritt, hat Mühe sich aus diesem Gebäude wieder loszureißen. Wo soll man zuerst hinschauen? Da ist die digitale Anzeigetafel mit den Abflugdaten vom Düsseldorfer Flughafen, da sind schwarze Drehstühle, schalenförmige rote Sessel, quadratische Hocker und hoch gepolsterte Sofas, die an Strandkörbe erinnern.

Jede Etage ist offen, groß, hell. Es gibt einen Mix von Schreibtischen, Stehtische für Besprechungen, Schränke als Raumtrenner und immer wieder gläserne Würfel: Besprechungsräume. Die wenigstens haben noch vier Wände. Zudem gibt es ein Fitnessstudio, eine Bibliothek, einen Raum der Stille, auch zum Beten, den „Tipi-Talk“ im Zelt mit elektronischem Lagerfeuer, als ganz anderen Besprechungsraum.

Sandra Budinger nutzt das Zelt gern, wenn sie Präsentationen erstellen muss. Hier darf das Smartphone nicht klingeln – und das bei einem Mobilfunkunternehmen. Wie gefällt ihr die neue Arbeitswelt? „Ich brauchte schon so drei Wochen, um mich an alles zu gewöhnen. Aber im Vergleich dazu war es früher ja richtig langweilig“, sagt sie. Seit 2006 ist sie bei Vodafone.

Klare Vereinbarungen und viel Vertrauen

Einen Tag in der Woche arbeitet sie von Zuhause aus. Ein Manko: Einen festen Platz für Materialien gebe es nicht. Wer aufstehe, müsse Laptop und Wertsachen immer mitnehmen. Trotzdem ist Sandra Budinger zufrieden: Sie könne viel selbstbestimmter arbeiten. Skepsis sei bei den Mitarbeitern aber vorhanden gewesen: Ist es vielleicht zu laut oder zu unhygienisch, wenn ich meinen Platz mit anderen teile? Zu Testzwecken hatte man schon im alten Gebäude eine Wand eingerissen und eine Fläche umgestaltet.

Drei Fragen an Dieter Boch

Dieter Boch ist Geschäftsführer des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung, (IAFOB), das Konzepte für Büroarbeitswelten erstellt.

Wie wichtig ist die Gestaltung des Arbeitsplatzes heute?

Dirk Barnard: Ideen bekommt man nicht, wenn man von 9 bis 17 Uhr an einem Platz sitzt. Die kommen auch beim Duschen oder beim Joggen. Das sollte ein Unternehmen fördern. Das heißt nicht, dass wir künftig nur allein arbeiten sollen. Stattdessen wandeln sich Büros zu Treffpunkten. Hier müssen sich die Menschen austauschen können. Bei der Gestaltung sind keine Grenzen gesetzt. Man muss mutig sein. Aus Fehlern kann man nur lernen.

Welche Herausforderungen gibt es für die Unternehmen?

Barnard: Die innere Einstellung und die Führungskultur werden sich ändern: Kaffeetrinken kann zum Beispiel auch Arbeit sein. Wenn es mehr Transparenz gibt, führt das zu einem Macht- und Autoritätsverlust. Führungskräfte haben also einiges zu überwinden. Wer aber davon abhängig ist, innovativ sein zu müssen und im Wettbewerb bestehen will, muss umrüsten.

Und was heißt das für die Mitarbeiter?

Barnard: Sie bekommen mehr Verantwortung, müssen mutiger sein, selbstständig handeln. Das will gelernt sein. Der Einzelne muss darauf achten, dass die Lebensqualität nicht leidet. Er muss einen Sinn in dem sehen, was er tut. Wer nur Geld verdienen will, wird Probleme haben.

Personalchef Dirk Barnard ist überzeugt, das Richtige getan zu haben. Dennoch gibt er zu, dass Herausforderungen hinzugekommen seien: „Es braucht jetzt ganz klare Vereinbarungen und ein großes Vertrauen gegenüber den Mitarbeitern. Man überträgt ihnen schließlich viel mehr Verantwortung“, sagt er und verlässt den Schreibtisch in der elften Etage. Seinen Lieblingsplatz hat er woanders gefunden. „Das ist die Kantine“, sagt er und lacht. Das liege nicht nur am guten Essen. „Da habe ich das Gefühl: Das Unternehmen lebt. Da spürt man die Internationalität. Da ist viel los“, sagt er und durchquert auf dem Weg zur Kantine den Innenhof, der mit den Grünstreifen und Bänken wie eine kleine Parkanlage wirkt. Vorbei an einer einfachen kleinen Holzhütte mit Obstverkauf. Im Schatten der digitalisierten Welt steht sie da wie ein Relikt der Vergangenheit.