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Lärm und Dreck – Krähen belagern Städte in NRW

Lärm und Dreck – Krähen belagern Städte in NRW

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Foto: Ted Jones
Ihr Krächzen ist laut und nervtötend, wo sie nisten hinterlassen sie reichlich Vogelmist. Für Menschen mit einer Krähenkolonie in direkter Nachbarschaft können die Vögel zur echten Plage werden, wie die Beispiele Soest und Wesel zeigen. Der größte Teil der 12.000 Krähenpaare in NRW brütet in Städten.

Soest/Wesel. 

Die Saatkrähe

mit ihrem prächtigen blauschwarz-schimmerndem Gefieder und dem cleveren Wesen steht unter Artenschutz – das hält sie nicht davon ab, lauthals zu krächzen und rund um die Nistplätze reichlich Krähendreck zu hinterlassen. Der größte Teil der 12.000 Saatkrähenpaare in NRW nistet dabei nicht mehr in Wald und Flur, sondern am liebsten dort, wo Menschen wohnen – für einige Stadtbewohner eine leidvolle Erfahrung. Besonders häufig findet man Kolonien in den Stadtgebieten landwirtschaftlich geprägter Regionen, etwa in Zentralwestfalen, aber auch am Niederrhein und der Aachener Raum.

Der Biologe Dr. Henning Vierhaus weiß viel über „die klugen Tiere“, wie er die Rabenvögel nennt. Die Krähe sei ein sehr soziales Tier. „Vieles an ihr erinnert an Menschen. Einerseits klauen sie sich gegenseitig das Baumaterial, andererseits schützen sie sich aber auch gegenseitig vor Feinden.“ Und schön sei der Rabenvogel: „Sehen sie sich doch mal dieses blau-violett schimmernde Gefieder an“, versucht der Vogelfreund eine Lanze für die Tiere zu brechen. Aber auch er weiß: Auch wenn die Krähen biologisch zu den Singvögeln gezählt werden: „Sie krächzen eben. Das kann ziemlich nervtötend sein.“

1340 Krähenpaare wohnen allein im Kreis Soest

Soest ist eine der Städte in NRW, wo Anwohner seit Jahren von einer wahren „Krähenplage“ reden. Rund 1350 Saatkrähenpaare sind im Kreis Soest zu Hause. Besonders gern lassen sich die in Kolonien nistenden Vögel zur Kinderaufzucht in dieser Jahreszeit mitten in der Stadt nieder. Mittlerweile haben Biologen in Soest 1340 Krähenpaare gezählt – diese verteilen sich auf 60 Kolonien.

„Die Krähe hat die Eigenart, dass sie in Kolonien brütet. Man hat es also gleich mit einer Vielzahl von Nestern zu tun“, erklärt Alfons Tubes, Stadtplaner und Umweltschutzmitarbeiter der Stadt Soest. Und das bringt in der Innenstadt Probleme mit sich: Krähengetöse und jede Menge Vogeldreck. „Die fangen morgens um vier an, Lärm zu machen. Das ist für Anwohner, die direkt eine solche Kolonie vor dem Fenster haben nicht angenehm.“

Außerdem verdrecken die Vögel mit ihren Hinterlassenschaften Bürgersteige, Autos, Terrassen und ganze Gärten. Was ihn als Stadtplaner besonders schmerzt: „Eine Kolonie befindet sich direkt am Bahnhof, eigentlich ja das Einfallstor für Besucher der Stadt. Der erste Eindruck, der da gewonnen wird, ist natürlich nicht so toll.“

In der Stadt finden die Saatkrähen ein sicheres Zuhause 

Einfach vor die Tore der Stadt jagen, kann man die Vögel allerdings nicht so leicht. Die Saatkrähe steht unter Artenschutz. Aus gutem Grund, wie der Ornithologe Vierhaus erläutert. Weil sie gerne die keimende Saat von den Feldern der Bauern frisst, fürchten die Landwirte, um ihre Ernte. Gleichzeitig behaupteten Jäger häufig fälschlicherweise, so Vierhaus, die Saatkrähe habe es auf Fasane und Kaninchen abgesehen. Jahrzehntelang machten beide daher intensiv Jagd auf die Krähe und vertrieben sie von ihren Nistplätzen.

„Vor 40 Jahren war die Krähe fast ausgestorben“, so Biologe Vierhaus. Die Vögel wurden daher unter strengen Schutz gestellt, mit dem Erfolg, dass sich die Bestände deutschlandweit wieder erholt haben. Aber eben auch mit dem Ergebnis, dass sich die Krähen heute zunehmend dort ihre Nester bauen, wo sie sich sicher fühlen und reichlich Nahrung finden: In der Stadt, weit weg von Schreckschussanlagen und Vertreibung durch Bauern.

Krähen lassen sich nicht vertreiben

Seit über zehn Jahren gibt es in Soest immer wieder Streit darüber, ob die Krähen Plage oder doch eher Bereicherung für die Innenstadt sind. Naturschützer, wie Vierhaus, der sich auch für den Naturschutzverein ABU, wünschen sich mehr Akzeptanz für die Krähe, auch wenn er weiß, welches Konfliktpotential Krähengekrächz und -mist in der Stadt bergen.

In den letzten Jahren hat sich die Stadt vom Kreis immer wieder genehmigen lassen, mit so genannten Vergrämungsaktionen, die Tiere aus der Stadt zu vertreiben bzw. umzusiedeln. Die Anwohner entfernten Nester, machten Lärm und scheuchten die Tiere weg. Geholfen hat es nicht. Vierhaus ist der Meinung, dass die Vergrämungsversuche der Tiere im Gegenteil zu einer „Zersplitterung der Kolonien“ geführt haben: Jetzt gebe es statt weniger großer Niststandorte, viele kleinere und damit noch mehr Orte wo die Interessen von Krähen und Bürgern aufeinander prallen.

Kommunen suchen fieberhaft nach richtigen Lösung 

In diesem Jahr gibt es in Soest nun eine Art Runden Tisch für das Krähenproblem. In dem Arbeitskreis wollen Anwohner, Naturschützer, Biologen, Landwirte, Jäger, die Stadt, die Untere Landschaftsbehörde des Kreises und ausgewiesene Krähenexperten ein Konzept zur nachhaltigen Vertreibung der Krähen aus den Innenstadtbereichen und Ansiedlung in Wald und Flur erarbeiten.“Wir müssen erst noch viel besser verstehen, warum die Krähen dort nisten, wo sie nisten,“ erklärt Tubes das Vorhaben.

Geplagt fühlen sich auch viele Bewohner des Weseler Stadtteils Büderich. Dort bevölkern die Krähen zur Nistzeit die Platanen am Marktplatz. Auch hier hat man vieles versucht: Nester wurden umgesetzt. Auch beschnitt man die Bäume als Versuch, den Krähen den Nestbau zu erschweren. Die Vögel zogen kurzerhand um zur Ortsteil-Grundschule, wo sie ebenfalls als lärmender Störfaktor empfunden wurden.

Bei Lösung des Problems ist die Wissenschaft gefragt

In diesem Jahr nisten die Krähen wieder über den Köpfen der Marktplatzbesucher. Klaus Horstmann, beim Kreis Wesel unter anderem Koordinator für den Bereich Artenschutz, wirkt ratlos: „Die Ansätze sind doch in allen Kreisen und Kommunen die gleichen. Eine echte Lösung, die trotzdem noch dem Artenschutz gerecht wird, sehe ich momentan nicht.“ Mit Einzellösungen, das zeige das Beispiel Wesel, komme man jedenfalls nicht weiter.

Weil Horstmann weiß, dass er nicht allein da steht, sieht er auch übergeordnete Stellen, etwa das Landesamt für Umwelt und Naturschutz (Lanuv) in der Pflicht, die Forschung zum Thema voranzutreiben. „Bevor man aber auf die Idee kommt, den Artenschutz anzutasten, muss intensiv und wissenschaftlich nach Lösungen geforscht werden. Aber da sind wir als Kreis allein dann auch überfordert.“