Grüne Energie ist gut. Wenn zu ihrer Herstellung im eigenen Vorgarten allerdings ein Windrad rotiert, wehren sich Anwohner häufig. Ein Gespräch mit einem Kommunikationsexperten über das Sankt-Florians-Prinzip in Alltenaffeln bei Neuenrade.
Dortmund/Neuenrade.
Altenaffeln fürchtet sich: vor den größten Windrädern, die im Märkischen Kreis bisher rotieren würden. Ein Investor aus Dortmund will hier vier gigantische Windräder aufstellen, fast 200 Meter hoch, ausgerechnet im Süden der 500-Seelen-Gemeinde, die zur Gemeinde Neuenrade gehört. „Wer bei sonnigem Wetter auf der Terrasse sitzt, würde genau auf die Windkrafträder gucken“, sagt Ortsvorsteher Andreas Wiesemann.
Grundsätzlich unterstütze er Erneuerbare Energien, aber den Kampf gegen die Windräder vor der Haustür kämpft er weiter. Und das Dorf kämpft mit, sagt er. „Jeder, der hier ein Haus hat, fürchtet den Wertverlust seiner Immobilie“ – man sorge sich um eine verschandelte Landschaft, um einen hohen Geräuschpegel und den Schlagschatten.
Altenaffeln steht exemplarisch für eine Reihe von Widerständlern – in unzähligen Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften, mit Infoständen, Trillerpfeifen und Unterschriftenlisten sind sie gerne dagegen, seltener dafür.
Wir wollen möglichst billig in den Urlaub fliegen, funklochfrei mit unserem Handy telefonieren und erwarten, dass aus unserer Steckdose stets bezahlbarer Strom fließt. Allerdings: Startende und landende Flugzeuge über dem eigenen Wohngebiet, den Funkmast auf dem Dach oder das riesige Windrad vor dem Panoramafenster können für viel Bürgergeschrei sorgen – getreu dem Prinzip, dass man dem heiligen St. Florian angedichtet hat: Verschon mein Haus/Zünd andere an.
Thema Hochspannungsleitungen spaltet deutsche Seele
Wie gespalten die deutsche Seele gelegentlich zu sein scheint, zeigt sich gerade insbesondere bei der Energiewende. Eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundesumweltministeriums offenbart: Obwohl der Schritt zu erneuerbaren Energien grundsätzlich von einer Mehrheit unterstützt wird: Neue Hochspannungsleitungen lehnt über die Hälfte der Befragten ab. Sauberer Strom und sauberes Gewissen, ja – aber bitte doch nicht, wenn im Wald hinter dem Haus dafür Bäume fallen müssen.
Auch Dr. Frank Claus, Kommunikationsexperte aus Dortmund, kann davon ein Lied singen. Sein Unternehmen erarbeitet unter anderem für den Stromnetzbetreiber „Amprion“ Strategien für die Kommunikation mit Bürgern in Sachen Netzausbau. Dass Anwohner sich gegen höhere Strommasten zur Wehr setzen, findet Claus zwar legitim – und doch bedauert er, dass sich grundsätzlich an der Haltung von Bürgerprotest etwas geändert habe. „Früher haben sich Bürgerinitiativen für das Gemeinwohl stark gemacht.
Bürgerinitiativen, wo persönliche Interessen tangiert werden
Heute entstehen Bürgerinitiativen dort, wo persönliche Interessen berührt werden.“ – Ellbogenmentalität statt Gemeinsinnorientierung. Übrigens auch zumeist dort, wo, so Claus, Feldhamster oder uralte Bäume zum Gegenargument gemacht würden. Wer Genehmigungsverfahren für Bauprojekte verfolge, der könne beobachten: „Natur- und Artenschutz sind eine gute Möglichkeit etwas, was man aus eigenem Interesse nicht will, zu Fall zu bringen.“ Dabei gehe es fast immer hintergründig um Eigentumsinteressen.
Ist der Konflikt mit Bürgern, die etwas zu verlieren haben, also unvermeidbar? „Sicherlich nicht – die Sorgen und Ängste sind ja real. Es kommt darauf an, wie man den Dialog gestaltet.“ Transparent und fair müsse man sich austauschen.
Bürger fühlen sich oft übergangen
Reden hilft. Und hätte vielleicht den Altenaffelnern geholfen. „Wir fühlen uns vom Märkischen Kreis übergangen“, sagt Ortsvorsteher Wiesemann. Als Neuenrade vor Jahren beschloss, die Flächen bei Altenaffeln für den möglichen Bau von Windrädern auszuweisen, rechnete niemand damit, dass die Technik einmal Windräder ermöglichen würde, die selbst bei dortigen Windbedingungen lukrativ sind.
„Wir sind ja nicht grundsätzlich gegen Windräder – gemeinsam hätten wir eine Lösung finden können.“ Einen Bürgerwindpark zum Beispiel. Eine gute Idee, findet auch Claus. „Wenn man den Bürgern Möglichkeiten der finanziellen Beteiligung gibt, entsteht eine neue Basis für den Dialog.“