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30.000 unbekannte Stollen – die endlose Suche nach Bergbau-Gefahren

Suche nach Bergbau-Schäden in NRW dauert noch Jahrzehnte

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Ein im Jahr 2000 entstandener Bergschaden in Bochum-Wattenscheid. Foto: dpa
  • Jahrhunderte langer Bergbau hat den Boden in zahlreichen Regionen in NRW instabil werden lassen
  • Mehrere Tausend Stollen und Schächte soll es geben – duzende Male im Jahr sackt die Erde plötzlich ab
  • Land NRW zahlt im Jahr 2016 zehn Millionen zur Prävention – für Bohrungen und Auffüllen von Schächten

Dortmund. 

Jahrhundertelang ist in Nordrhein-Westfalen Bergbau betrieben worden. Neben der Steinkohle wurde nach Erzen, Salzen, Schiefer oder Strontianit gesucht, einem Stoff zur Zuckergewinnung aus der Melasse. Rund 60.000 Schächte und Stollen soll es geben. Nur die Hälfte davon ist bekannt.

Unbekannte Schächte und Hohlräume nahe der Oberfläche bergen Gefahren: Dutzende Male im Jahr sackt die Erde ab. Meist bleibt es bei kleinen Löchern, aber manchmal bilden sie auch riesige Krater. Ein spektakuläres Ereignis in Bochum hat vor gut 15 Jahren zu einem Umdenken in der Gefahrenbekämpfung geführt.

Was war damals passiert?

Einen Tag nach Neujahr im Jahr 2000 tat sich in Bochum-Höntrop die Erde auf. In einem riesigen Loch von 20 Metern Durchmesser und 15 Metern Tiefe verschwanden zwei Garagen, Bäume und ein Auto. Am Rand standen die Häuser. Als die Rettungskräfte eingriffen, riss ein zweiter Krater auf. Die Anwohner kehrten nie wieder in ihre Häuser zurück.

Wie konnte das passieren?

Ein alter Schacht war vor langer Zeit fehlerhaft zugeschüttet worden. Das Fördergerüst hatte man in den Schacht stürzen lassen und dann verfüllt. Das Gerüst war aber unterwegs hängengeblieben. Der Schacht war nur teilweise gesichert und wurde mit der Zeit brüchig.

Wie reagierten die Behörden?

Bislang hatten die Bergbaubehörden nur auf Schäden reagiert und die Löcher mit Beton verfüllt. Nach dem spektakulären Bruch in Höntrop dachte die Regierung um. Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) versprach ein Prüfprogramm für ganz NRW. Vor allem das südliche Ruhrgebiet mit seinem oberflächennahen Kohleabbau, das Siegerland und das Aachener Kohlerevier wurden untersucht. Etliche Hohlräume wurden lokalisiert und verfüllt.

Was ist neben dem Kohlebergbau das größte Problem?

Sorgen macht den Experten vor allem auch der Erzbergbau. Am Siegener Rosterberg bildete sich im Februar 2004 neben einem Mehrfamilienhaus ein zehn Meter breiter und zwölf Meter tiefer Krater. 90 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Statt von oben Beton in die Löcher zu füllen, machten die Experten dort das Gegenteil: Sie gingen unter die Hohlräume und verfüllten von unten. Acht Jahre nach dem Unglück war der Schacht verfüllt.

Und wie lange soll das Präventionsprogramm noch laufen?

Wohl noch Jahrzehnte. 30.000 Schächte und Stollen sind nach Schätzungen der Experten überhaupt noch nicht bekannt. Nach ihnen muss gesucht werden. 600 Quadratkilometer Fläche in NRW sind von oberflächennahem Bergbau betroffen.

Muss das Land sich allein um die Lasten kümmern?

Keineswegs. Bei vielen Schächten sind die Rechtsnachfolger der damaligen Eigentümer bekannt. Das sind Großunternehmen wie RAG, ThyssenKrupp, Eon, RWE oder Gea Group sowie einige kleinere Firmen. Sie müssen für die Sicherheit der Altschächte selbst sorgen.

Und was kostet das alles?

Das Land hat seit dem Bochumer Loch über 120 Millionen Euro für die Prävention ausgegeben. Zehn Millionen sind für 2016 veranschlagt. Und es geht Jahrzehnte weiter. (dpa)