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Wenn überfordertes Personal Frust an Flüchtlingen auslässt

Wenn überfordertes Personal Frust an Flüchtlingen auslässt

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Aggressivität, menschenunwürdige Hygiene und Stress: In Asylbewerberunterkünften finden Flüchtlinge wahrlich nicht das Paradies auf Erden. Ehemalige Wachleute berichten, wie es aussieht, wenn überfordertes Personal seinen Frust an diesen Menschen auslässt.

Essen. 

Kein Tag ohne neue, immer schrecklichere Details über das Leben in Flüchtlingsunterkünften in NRW: wie verwahrlost manche Heime sind, wie überfordert das Personal ist. Und wie Gewalt den Alltag dort beherrscht. Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten zeichnen ein düsteres Bild. Was Jens Krause, bis vor kurzem Wachmann im Wohnheim Burbach, vor einem Millionenpublikum bei Günther Jauch berichtete, macht fassungslos. Er erzählt von blutigen Kämpfen um ein Stück Käse, von „menschenunwürdiger Hygiene“, von Krätze und Masern und von Polizisten, die es nach Notrufen nicht eilig gehabt haben sollen.

Sechs Sicherheitsleute, zuständig für bis zu 800 Bewohner, oft ohne weiteres Personal; zwölf-Stunden-Schichten, tagsüber oder nachts. Ein Arzt sei einmal in der Woche für drei Stunden dort gewesen. „Einmal“, erinnert sich Krause, „haben wir für eine Frau mit Verdacht auf Herzinfarkt den Rettungsdienst gerufen und einen Betreuer verständigt. Der Betreuer meinte, ein Rettungswagen ist zu teuer, sie kann mit dem Taxi fahren.“

„Das ist doch vollkommen krank“

Bernd Mesovic, Vize-Geschäftsführer von Pro Asyl, findet solche Verhältnisse haarsträubend. „Wenn ein paar Wachleute allein für 800 Flüchtlinge zuständig waren, dann ist das Notverwaltung. Der Personalschlüssel müsste allein bei den Sozialarbeitern bei unter 1:100 liegen. Früher waren Wachdienste bloß für die Zugangskontrolle zuständig und für die Sicherheit um das Heim herum. Aber dass die anstelle der Polizei innen intervenieren, das geht gar nicht“, sagte Mesovic dieser Zeitung. In NRW gebe es keinen verbindlichen Personal- und Betreuungsschlüssel. „Und zu den Qualifikationsanforderungen des Personals hat NRW nicht einmal Soll-Vorschriften“, so Mesovic.

Der Geschäftsführer des in die Kritik geratenen Sicherheitsunternehmens SKI, Walter Stilper, erhob in der „Nürnberger Zeitung“ schwere Vorwürfe gegen die Betreiber des Heimes in Burbach. Das „Problemzimmer“ dort sei von Sozialarbeitern mit Billigung der Heimleitung eingerichtet worden. „Wir hätten dort 14-Jährige einsperren sollen oder auch Frauen – das ist doch vollkommen krank.“

Manche Einrichtungen sind chronisch überbelegt

Stilper spricht von „lebensfremden“ Anweisungen der Sozialarbeiter: „ Wir hatten eine Arbeitsanweisung, dass wir mit den Flüchtlingen nicht reden sollen – wir sollten sie an die Heimleitung verweisen. Wie soll das funktionieren? Ein Beispiel: Fußballspiel Deutschland gegen Algerien. Da sitzen 39 Algerier friedlich zusammen, nur einer stänkert. Der Sozialbetreuer gibt uns die Anweisung, wegen des einen Störers den Stecker des Fernsehers zu ziehen. Die Debatten danach können Sie sich ja vorstellen.“

Die Erstaufnahme-Einrichtung für Asylbewerber in Dortmund-Hacheney hat andere Probleme, sie ist chronisch überbelegt. Offiziell kann die Anlaufstelle 350 Schlafplätze zur Verfügung stellen. Doch meistens sind bis zu 500 Menschen auf dem Gelände. Murat Sivri, Leiter der landeseigenen Einrichtung und Angestellter von European Homecare, stellt fest: „Wir schleusen hier nur noch Menschen durch. Eine würdige Betreuung und Beratung ist nicht zu gewährleisten.“ Man könne den Menschen nicht mal mehr ein Bett anbieten, „die müssen sich mit Bänken und Stühlen begnügen“.

Reines Bettenmanagement

Während hier früher pro Tag höchstens acht Flüchtlinge ankamen, sind es heute 400. Die Mehrheit der zum Teil traumatisierten Menschen wird daher bereits nach einem Tag in Notunterkünfte weitergeleitet. Dort gibt es nach Ansicht Sivris lediglich ein Bettenmanagement, mehr aber auch nicht.

Für Sivri liegen die Probleme auf der Hand. Angesichts der Flut von Flüchtlingen brauche man mehr Personal und dringend eine dritte und vierte Erstaufnahme-Einrichtung in NRW. Man dürfe die Flüchtlinge nicht in die Warteschleife schieben, stattdessen müssten sie ins Asylverfahren.

Die Erstaufnahme-Einrichtung in Hacheney nimmt 27 Prozent aller erstmalig nach Deutschland einreisenden Flüchtlinge auf und bearbeitet 80 Prozent aller Fälle in NRW.