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Türkische Eltern klagen über Vorurteile der Lehrer

Türkische Eltern klagen über Vorurteile der Lehrer

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Türkische Eltern wünschen sich mehr staatliche Unterstützung für die Bildung ihrer Kinder. Eine aktuelle Allensbach-Studie belegt außerdem: Mit den Leistungen der Lehrer sind viele unzufrieden. Eine Mehrheit glaubt sogar, dass viele deutsche Lehrer Vorurteile gegenüber ihren Kindern hat.

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Eltern türkischer Herkunft haben ein hohes Interesse an einer guten Bildung ihrer Kinder: 71 Prozent sagen „Meinem Kind soll es später einmal besser gehen“, 55 Prozent sind davon überzeugt, dass das auch so sein wird – deutlich mehr als die Mehrzahl der Eltern in Deutschland, von denen nur 29 Prozent mit einem gesellschaftlichen Aufstieg des Nachwuchses rechnen. Allerdings wünschen sich 59 Prozent der türkischen Eltern, dass der Staat sie stärker bei der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder unterstützt.

Diese Zahlen sind Ergebnisse der Studie „Zwischen Ehrgeiz und Überforderung: Eine Studie zu Bildungsambitionen und Erziehungszielen in Deutschland“, die die Vodafone Stiftung Deutschland heute in Berlin vorstellt. In ihrem Auftrag hatte das Institut für Demoskopie Allensbach 1256 repräsentativ ausgewählte Eltern befragt, unter ihnen waren 214 Eltern türkischer Herkunft.

Die allermeisten waren sich einig: Eine gute Bildung ist der entscheidende Schlüssel für späteren Erfolg im Beruf und im Leben (94 Prozent). Breites Wissen, sprachliches Ausdrucksvermögen, die Beherrschung von Fremdsprachen oder „gute Manieren“ gehören für die meisten Eltern dazu.

Bildungsgrad der Eltern entscheidet über Schulkarriere

Bestätigt hat die neue Umfrage, dass die Bildung der Kinder stark abhängt vom Bildungsstand der Eltern: 77 Prozent der Kinder von Eltern mit höherer Schulbildung besuchen ein Gymnasium, vier Prozent eine Hauptschule; 91 Prozent dieser Eltern wünschen sich das Abitur als Abschluss.

Aus den Elternhäusern mit einfacher Schulbildung besuchen 29 Prozent der Kinder ein Gymnasium und 23 Prozent eine Hauptschule; als Schulabschluss wünschen sich aber auch 41 Prozent dieser Eltern das Abitur. Mit dem Hauptschul-Abschluss wären gerade acht Prozent zufrieden.

Erfolgreiches Lernen wird in Deutschland „vererbt“

Auf die Suche nach einer guten Schule machen sich nur 36 Prozent der sozial schwächer gestellten Eltern. „Diese enge Korrelation zwischen der Bildung der Eltern und dem Bildungsweg der Kinder ist im internationalen Vergleich ungewöhnlich und unbefriedigend, belegt sie doch, dass Bildung in Deutschland in hohem Maße gleichsam ‘vererbt’ wird“, sagt dazu Renate Kröcher, Professorin und Leiterin des Allensbacher Instituts.

Dass Eltern mit geringem Einkommen überdurchschnittlich belastet sind, belegen diese Zahlen: 62 Prozent der Eltern aus sozial schwächeren Schichten verzichten selbst auf „einiges“ oder „vieles“, um ihre Kinder zu fördern. Das neue Bildungspaket des Bundes für bedürftige Kinder kommt bei diesen Eltern offensichtlich gut an: 48 Prozent der Nutzungsberechtigten sagen, dass das Geld aus Berlin die Chancen ihrer Kinder sehr verbessere, 37 Prozent sehen immerhin „etwas“ Besserung.

Schulen integrieren Migrantenkinder gut, fördern sie aber zu wenig

Auch wenn harte Schlagzeilen oft den gegenteiligen Eindruck vermitteln: Die große Mehrheit aller Eltern in Deutschland (72 Prozent) ist zufrieden damit, wie die Schulen Kinder mit ausländischen Wurzeln integrieren. Bei den türkischen Eltern ist die Zufriedenheit sogar noch höher: Fast vier von fünf Befragten (79 Prozent) beurteilen die Integrationsleistung der Schulen positiv.

Zugleich bezweifelt die Mehrheit der türkischstämmigen Eltern (59 Prozent) aber, dass für ihre Kinder in der Schule Chancengleichheit herrscht. Unzureichende Deutsch-Kenntnisse türkischer Kinder sehen 63 Prozent der Befragten als eine Ursache dafür. Etwas mehr empfinden es als Nachteil, dass sie ihre Kinder nicht unterstützen können (64 Prozent) und jedes zweite Kind lebt in einer Familie, die sich eine systematische Nachhilfe nicht leisten kann (50 Prozent). Dass das Thema Schule in Zuwanderer-Familien keine Bedeutung hat, vermutet fast die Hälfte aller Eltern (46 Prozent), von den türkischstämmigen Familien sagen dies nur 16 Prozent.

Eltern sehen Überforderung und Vorurteile

Viele von ihnen sind allerdings nicht zufrieden mit den Leistungen der Lehrkräfte an deutschen Schulen: Jeder zweite Elternteil türkischer Herkunft (51 Prozent) findet, dass viele Lehrer überfordert sind im Umgang mit Schülern aus Zuwandererfamilien. 63 Prozent der Eltern glauben, dass viele Lehrer Vorurteile gegenüber ihren Kindern haben, jeder Zweite (51 Prozent) denkt, dass Zuwandererkinder bei gleicher Leistung schlechter beurteilt werden als deutsche Klassenkameraden und Kinder ausländischer Herkunft zu wenig fördern.

Hilfe bei den Hausaufgaben leisten zwei Drittel der türkischen Eltern (64 Prozent), deutlich mehr als alle Eltern insgesamt (56 Prozent). Zugleich fällt ihnen diese Unterstützung schwerer als deutschen Familien: 48 Prozent der türkischen Eltern finden diese Aufgabe wichtig, aber schwer bis sehr schwer (alle Eltern: 35 Prozent).

„Familienpolitik und Bildungspolitik müssen zusammen gedacht werden“

In ihren Wünschen an die Schule und den Staat sind sich beide Elterngruppen wieder fast einig: Eine gezielte Förderung der Kinder nach deren Begabungen erwarten drei Viertel aller Eltern (76 Prozent), spezielle Förderkurse für benachteiligte Schüler fordern 71 Prozent. Anspruchsvolle und konsequente Lehrkräfte wünscht sich jede zweite Familie.

Für Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung Deutschland, belegen die neuen Daten sehr klar, wohin die Politik denken muss. „Besonders Eltern mit Migrationshintergrund, die den sozialen Aufstieg ihrer Kinder ermöglichen wollen, benötigen Unterstützung für eine gute Bildung ihrer Kinder. Familienförderung und Bildungspolitik müssen zusammen gedacht werden“, sagte er. Und weiter: „Hier sind Lösungen erforderlich, die das immer noch vorhandene Silodenken überwinden.“