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Steuer: Armut in Deutschland – Staat knöpft armen Familien Geld ab und gibt es den Reichen

Wie sozial ist der Wohlfahrtsstaat Deutschland wirklich? Eine Studie hat gezeigt, dass arme Menschen immer noch zu viele Steuern zahlen.

Noch immer zahlen arme Menschen zu viel Steuern und erhalten zu wenig Sozialleistungen – obwohl sie ihnen eigentlich zustehen würden. Woran liegt das?
(Symbolbild/Kollage der Redaktion) Wie sozial ist der Wohlfahrtsstaat Deutschland wirklich? Eine Studie hat gezeigt, dass Umverteilung noch immer nicht funktioniert. Foto: IMAGO / Zoonar

Deutschland ist ein Wohlfahrtsstaat, in der Theorie jedenfalls. Denn wie eine Studie des Forschungsprojekts „FaSo“ zeigt, nimmt unser Sozialstaat keine gerechte Umverteilung vor. Das Ergebnis: Armutsgefährdete Familien haben ein niedrigeres Einkommen, als es die sozialstaatlichen Regelungen eigentlich vorgesehen haben und zahlen trotzdem hohe Steuern!

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Der Grund dafür ist zu einem, dass Familien mit weniger Einkommen weniger Sozialleistungen erhalten, als ihnen eigentlich zugesagt ist. Zum anderen werden Familien mit ohnehin schon geringem Besitz zusätzlich durch Abgaben belastet (zum Beispiel durch die Einkommenssteuer). Diese Abgaben sind im EU-Vergleich sogar überdurchschnittlichen hoch. Im Gegensatz dazu verfügen gut situierte Haushalte über ein höheres Einkommen, als es der Sozialstaat vorsieht.

Die Kluft zwischen Arm und Reich

Wer in Deutschland Familie hat, erlangt damit finanziell Vor-, aber auch Nachteile. Welche der beiden überwiegen, das kommt stark auf die individuelle Situation an. Es gibt sozialstaatliche Leistungen wie Kindergeld und Vorteile bei der Steuer wie das Ehegattensplitting. Gleichzeitig müssen Menschen mit Kindern mehr Care-Arbeit leisten, oftmals arbeiten vor allem Mütter jahrelang nur in Teilzeit. Um Armut abzufedern, zahlt der Sozialstaat Leistungen an Familien. Doch die Studie des DFG-Projekts FaSo zeigt, dass die Umverteilung, wie sie in den sozialstaatlichen Regelungen vorgesehen ist, oft von der tatsächlichen Realität abweicht.

Die Studie zeigt, dass Familien mit einem geringen Haushaltseinkommen (also weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens), weniger Geld erhalten, als ihnen nach den sozialstaatlichen Regelungen zustünden. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern zum Beispiel auch in Österreich, den Niederlanden, Spanien und Schweden.

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Der Grund für diese unrechte Verteilung erläutern die Wissenschaftlerinnen Patricia Frericks und Julia Höppner so: „Armutsgefährdete Familien erhalten geringere Sozialleistungen als dies nach den Regelungen der Fall sein sollte. Das zeigt sich bei Alleinerziehenden noch deutlicher als bei Paaren. Die Differenz bei den Sozialleistungen lässt sich nur durch deren Nichtinanspruchnahme erklären.“

Steuer: Man muss wissen wie es geht

Zudem müssen armutsgefährdete Familien in Deutschland mehr Abgaben leisten als eigentlich vorgesehen. Der Grund könnte sein, dass die Einkommenssteuer zu komplex ist und dafür Wissen oder freundliche Unterstützung notwendig ist. Viele Familien müssen überhaupt keine Steuer-Erklärung abgeben, erhalten bereits gezahlte Abgaben nicht wieder zurück. In anderen europäischen Ländern ist das anders. Hier können arme Menschen oftmals die zu geringen Sozialleistungen durch die Steuer wieder reinholen.

Frericks und Höppner bewerten Christian Lindners (FDP) Anstoß Anfang 2024 zur Erhöhung des Kinderfreibetrags ohne weitere Erhöhungen des Kindergeldes kritisch. Die Wissenschaftlerinnen erwarten, dass sich in diesem Fall die Schieflage in der Umverteilung zwischen Familien mit niedrigen und höheren Einkommen verstärkt.


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Die von der Ampel beschlossene Kindergrundsicherung hingegen wird positiver bewertet. Sie habe das Potenzial, die Ungleichheit zwischen armutsgefährdeten Familien und Familien mit höheren Einkommen zu verringern. Dazu heißt es: „Mit der Kindergrundsicherung würde das Problem der Nichtinanspruchnahme von Sozialleistungen abgemildert, da die Kindergrundsicherung eine Mehrzahl bestehender Sozialleistungen bündeln und die Antragsstellung vereinfachen soll.“

Quelle: Deutsches Institut für Interdisziplinäre Sozialpolitikforschung (DIFIS).