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Scholl-Latour schreibt von der „Angst des weißen Mannes“

Scholl-Latour schreibt von der „Angst des weißen Mannes“

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Foto: WAZ FotoPool

Duisburg. Der ewige Ausland-Reporter Peter Scholl-Latour hat sein 30. Buch vorgelegt. „Die Angst des weißen Mannes“ beschreibt den Wandel in der Welt der einstigen Kolonnien. Im Gespräch mit der WAZ-Mediengruppe verrät Scholl-Latour, dass er Obama kritischer sehe als „die begeisterten Deutschen.

Der Bürstenschnitt zitiert Jugendlichkeit, trotz hoher Schläfen. Die leichte Bräune der Wangen stammt aus Südfrankreich und das Armband aus Laos: Die silberne Schlange, die sich um das nunmehr 85-jährige Handgelenk windet, erinnert an die weltumspannenden Verbindungen des großen Erklärers. Peter Scholl-Latour ist unser Mann in überall. Die einzige Konstante in wachsender Unübersichtlichkeit, deren Schrecken er mildert mit jenem stets vernuschelten Wiegenlied fürs bundesdeutsche Wohnzimmer: „Ich war gerade dort gewesen, nich‘ wahr.” Nun war er gerade in Duisburg gewesen: Vor seinem ersten Vortrag als Mercator-Professor hatte Peter Scholl-Latour Zeit für eine kleine Plauderei – urdeutsch bei Filterkaffee und Schinkenbrötchen.

2005 mit Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet

Nach dem Studium in Mainz, Paris, Beirut begann der gebürtige Bochumer rasch mit jenen Berichten aus dem Vorderen Orient, aus Süd- und Ostasien, die ihn für die Deutschen zum „Kenner der Kontinente” machen sollten. 2005 wurde er für sein publizistisches Lebenswerk mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet; „Henri Nannen und ich waren so verschieden, nich‘ wahr, dass wir uns gut verstanden”, sagt Scholl-Latour.

Hier sind wir schon beim zweiten Geheimnis seines Erfolgs: Als Gast bei Freunden präsentiert sich der Weltreisende in seinen Filmen, Büchern, Auftritten – und so nah holt er selbst Staatsfrauen und -männer heran in absoluten und absolut subjektiven Urteilen. „Lieb, aber dumm” lautet ein Richterspruch, „netter Kerl” und „dumme Kuh” oder auch: „einer der intelligentesten Leute in Amerika”. Auf Guttenberg hält er große Stücke, aber: „Ich habe von Anfang an gesagt, dass der Krieg in Afghanistan nicht zu gewinnen wäre. Die Idee des Nation Buildings ist unglaubliche Arroganz. Ich war ja noch vor zwei Jahren dort gewesen . . .” Und schon begleiten wir Scholl-Latour auf einer Fahrt im Jeep von Kabul in die Berge, „und ich habe keinen einzigen Nato-Soldaten gesehen!” Da stand für ihn fest: Die trauen sich nicht raus. „Ein Zeichen von Schwäche!”

Gesicht des Welterklärers

Schwäche, dies ist ja das Thema seines neuen, nunmehr 30. Buches. „Die Angst des weißen Mannes” heißt es, steht auf den Bestsellerlisten und zeigt wie immer das Gesicht des Welterklärers, so dass es ein wenig so wirkt, als wäre Scholl-Latour der Ängstliche. Dabei ist er nur der mutige Warner: „Der fünfhundertjährige Siegeszug des weißen Mannes ist Geschichte”, und wieder war Scholl-Latour zur richtigen Zeit am richtigen Ort, in Ost-Timor nämlich, auf Bali und auf den Philippinen, in China, Kasachstan. Sein Reisebericht des Niedergangs ist eine Antwort auf Rudyard Kipling, der vor rund hundert Jahren über „die Last des weißen Mannes schrieb” – die Aufgabe nämlich, die abendländische Zivilisation in die Welt zu tragen. Nun schreibt Scholl-Latour, dem „weißen Mann” fehle „das Sendungsbewusstsein, die Lust am Abenteuer sowie die Bereitschaft zur Selbstaufopferung, auf die sich sein imperialer Anspruch gründete”.

Sinnbild des „tiefgreifenden Wandels” ist ihm US-Präsident Obama, den er stets Barack Hussein Obama nennt – „die muslimische Religionszugehörigkeit seines Vaters reiht ihn laut koranischem Gesetz unwiderruflich in die Reihen der islamischen Umma ein”, schreibt er und fügt eine Prophezeiung an: „An infamen Angriffen, an tückischen Verleumdungen wird es in Zukunft nicht fehlen.”

Der Mann ist die Antwort

Und was denkt er selbst über Obama? „Ich sehe ihn kritischer als die begeisterten Deutschen”, sagt Scholl-Latour mit einem Lächeln und kurz glaubt man, jetzt käme ein Statement. „Aber ich sehe ja auch den Dalai Lama kritischer als die Deutschen, die ihre Religion verloren haben und nun eine neue suchen. Dabei ist die tibetische Form des Buddhismus eine Art Schamanentum! Ich war ja jetzt erst wieder dagewesen . . .”

Von Tibet aus geht es weiter zu einer alevitischen Priesterin in einem türkischen Dorf. Die Frage nach dem Minarett-Urteil in der Schweiz führt ohne Zwischenstopp zu einer Sekte in Saudi-Arabien. Peter Scholl-Latour ist ein Freund zu Gast in der Welt. Dass er nicht immer eine klare Antwort hat auf unsere Fragen hat, stört ja gar nicht: Er ist die Antwort. Mag sein, dass die Welt sich wandelt – Peter Scholl-Latour bleibt, nich‘ wahr.