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Private Videoüberwachung: Gehweg ist tabu

Private Videoüberwachung: Gehweg ist tabu

Brüssel. 

Das „schwarze Auge“ wacht am Bahnhof und im Supermarkt, an der Tankstelle und im Parkhaus: Bis zu einer Million Überwachungskameras soll es nach Schätzung von Experten inzwischen in Deutschland geben. Immer häufiger nutzen auch private Hausbesitzer Videoüberwachung, um Kriminelle abzuschrecken oder dingfest zu machen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ihnen jetzt aufgetragen, sich dabei sehr genau mit dem Datenschutz aus- einanderzusetzen.

Das in Luxemburg tagende oberste EU-Gericht befasste sich mit einem Fall aus Tschechien. Dort hatte Herr R. an seinem Haus eine Kamera angebracht, nachdem es mehrfach von Unbekannten attackiert worden war. Die hatten unter anderem die Fenster eingeschlagen. Die Kamera zeichnete den Eingangsbereich auf, aber auch einen Straßenabschnitt und den Eingang des gegenüberliegenden Hauses. Anhand der Aufzeichnungen konnten zwei Verdächtige dingfest gemacht werden, nachdem erneut eine Scheibe durch Schleuder-Beschuss zu Bruch gegangen war.

Einer der beiden mutmaßlichen Täter wehrte sich: Die Kamera verletze seine Persönlichkeitsrechte, weil er ohne Einwilligung auf der Straße gefilmt worden sei. Tatsächlich wurde Herr R. deswegen zu einer Geldbuße verurteilt. Der Streit ging bis zum obersten tschechischen Verwaltungsgericht, das schließlich dem EuGH die Frage vorlegte, wie der Fall nach EU-Recht zu beurteilen sei.

Die EU-Richter ziehen mit ihrem Spruch (Az. C-212/13) keine scharfe Grenze zwischen Eigentums- und Datenschutz. Sie stellen aber fest, dass beides gegeneinander abgewogen werden muss. Nach einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 1995 dürfen Daten – also auch Bilder – von Dritten nur mit deren Einwilligung aufgenommen, gespeichert und ausgewertet werden. Ausgenommen ist der rein familiäre Bereich. Darauf kann sich nach dem Urteil aber nicht berufen, wer die Kamera außerhalb der eigenen Privatsphäre aufzeichnen lässt.

Schon strenge Regeln im deutschen Recht

Das kann nur gerechtfertigt sein, wenn die Aufnahme „zur Verwirklichung des berechtigten Interesses“ – Schutz von Leben, Gesundheit, Eigentum – des Hausbesitzers oder seiner Familie nötig ist. Ob das bei Herrn R. der Fall ist, muss nun das tschechische Gericht anhand der Umstände des Falles prüfen und entscheiden, und zwar unter Berücksichtigung allfälliger zusätzlicher Bestimmungen im nationalen tschechischen Recht. Die EU-Richtlinie gibt nämlich nur den Rahmen vor, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten Näheres festlegen können.

Nach deutschem Recht (Bundesdatenschutzgesetz) ist Herr R. vermutlich über das Erlaubte hinausgegangen. Zwar lag nach den Übergriffen auf sein Haus sicher „ein schutzwürdiges Interesse“ vor. Es ist aber nicht plausibel, dass deswegen auch Bürgersteig, Straße und sogar der gegenüberliegende Hauseingang überwacht werden müssen. Nach einem Urteil des Berliner Amtsgerichts vom Dezember 2003 (Az. 16 C 427/02) darf „maximal ein Meter des öffentlichen Verkehrsraums“ erfasst werden. Außerdem verlangt das deutsche Recht einen Hinweis auf die Existenz einer Kamera.

Im Europäischen Parlament wurde das Urteil beifällig aufgenommen. „Es stellt klar: Wer sein Eigentum mit Videokameras überwacht und zum Beispiel Gehwege filmt, muss dabei die Datenschutzregeln einhalten“, lobte Jan Philipp Albrecht, Datenschutz-Experte der Grünen. Öffentlicher Raum dürfe nur so weit erfasst werden, „als es für konkrete Sicherheitsinteressen absolut notwendig und verhältnismäßig ist“.