Veröffentlicht inPolitik

Politiker und ihr Orden wider den tierischen Ernst

Politiker und ihr Orden wider den tierischen Ernst

Düsseldorf. 

Der schwarz-grüne Humor kam nicht bei jedem gut an im Festsaal des Aachener Karnevalsvereins (AKV). Armin Laschet und Cem Özdemir, seinerzeit ausgestattet mit der Freiheit der wenig beachteten Europaabgeordneten, witzelten bei der Verleihung des „Ordens wider den Tierischen Ernst“ von der Bühne herab über die politische Zukunft von Peer Steinbrück und Jürgen Rüttgers, die unten im Publikum schunkelten. Der amtierende SPD-Ministerpräsident Steinbrück könne ja nach seiner baldigen Abwahl wie weiland „Spar-Hans“ Eichel Bundesfinanzminister werden und CDU-Mann Rüttgers die Düsseldorfer Staatskanzlei überlassen, prusteten sie. Das war kurz vor der Landtagswahl 2005 zwar wenig taktvoll, aber prophetisch.

Der „Orden wider den Tierischen Ernst“ bot schon immer Tagespolitik im Gewand des Klamauks. Strauß, Genscher, Stoiber, Geißler, Blüm, Simonis, ja selbst der bergische Karnevals-Skeptiker Johannes Rau – die Liste der Aachener Ordensritter aus der Spitzenpolitik ist lang. Sie alle empfanden es seit nunmehr 60 Jahren als Ehre, in den Aachener Narrenkäfig gerufen zu werden. Deshalb raunte mancher „Wahlkampfhilfe“, als ausgerechnet Ministerpräsident Rüttgers zum Ritter 2010 erkoren wurde. Immerhin darf Rüttgers sich am Samstag vor rund vier Millionen Fernsehzuschauern und 1400 Saalgästen als humorfähig erweisen. Zwei Tage später kann er auf der Mattscheibe erleben, wie er wirkt. AKV-Präsident Horst Wollgarten verweist auf die Zeitspanne zwischen Aschermittwoch und dem 9. Mai: In der Wahlkabine denke niemand mehr an Karneval und Ordensritter Jürgen I.

„Spaß ist keine politische Kategorie“, hat einmal der frühere Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) gebrummt und sein freundliches Wesen hinter einer Maske ausdauernder Griesgrämigkeit verborgen. Für einen Ministerpräsidenten, der auch im fünften Amtsjahr in reinen „Sympathie“-Umfragen regelmäßig eher bescheidene Werte erzielt, könnte Lachen in Zeiten der Krise indes hilfreich sein. Im Land Nordrhein-Westfalen gibt es mehr als eine Million organisierte Jecken, „eine Bürgerbewegung für Humor“, wie Rüttgers weiß. Er ahnt gleichwohl, dass in der Bütt auch die Blamage lauert. Zumal sein Laudator Mario Adorf für Spitzzüngigkeiten bekannt ist. „Das geht man nicht mit Routine an“, bekennt Rüttgers, obwohl seine Büttenrede ein „Gemeinschaftswerk“ mit professionellen Helfern sein wird. Obwohl ein erfahrener Narr, immerhin Mitbegründer der Karnevalsgesellschaft „Brauweiler Freunde“, habe er „großen Respekt“ vor dem Auftritt. Nachts schrecke er zuweilen mit Karnevalsliedern im Ohr aus dem Schlaf.

Nicht jedem Politiker ist der Frohsinn schließlich bekommen. An schlechten Tagen werden noch immer jene Filmsequenzen aus dem Archiv geholt, die den heutigen Außenminister Guido Westerwelle 2001 als muskelbepackten „Mister 18 Prozent“ in Strumpfhose zeigen. Und dass Norbert Blüm, für Rüttgers „einer der genialsten Büttenredner“, einst einen Kopfstand in der Mülltonne wagte, fand das gemeine TV-Publikum nur so lange lustig, wie die Rente wirklich sicher war. Friedrich Merz stand 2006 gar im Verdacht, seine heftig beklatschten Pointen zuvor im Internet abgekupfert zu haben.

Rüttgers ist bis Samstag zur Verschwiegenheit über Kostüm und Rede verpflichtet. „Es sollte“, appelliert er an sich selbst, „aber schon irgendwie authentisch bleiben.“