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NRW-CDU-Chef Laschet: „RWE nicht vor die Wand fahren lassen“

NRW-CDU-Chef Laschet: „RWE nicht vor die Wand fahren lassen“

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Armin Laschet (CDU) Foto: Felix Heyder/Funke Foto Services
NRWs CDU-Oppositionsführer Armin Laschet über den Wahlsieg in Essen, die Folgen der Flüchtlingskrise und seine Sorgen um den Energiekonzern RWE

Düsseldorf. 

Noch am Sonntagabend ist CDU-Landeschef Armin Laschet nach Essen gefahren, um mit dem künftigen Oberbürgermeister Thomas Kufen (42) den haushohen Sieg bei der Stichwahl zu feiern. Der symbolisch wichtige Erfolg für die Union in der neuntgrößten deutschen Stadt soll dem Oppositionsführer Rückenwind für die Landtagswahl 2017 geben.

Die CDU hat in Essen die Oberbürgermeister-Wahlen klar gewonnen, in Wuppertal und Krefeld dagegen verloren. Gibt es eine landespolitische Lehre?


Laschet: Mich freut, dass wir in Oberhausen mit über 50 Prozent im ersten Wahlgang und in Essen mit über 60 Prozent in der Stichwahl die Oberbürgermeister stellen. Keine Region gehört einer Partei, auch nicht das Ruhrgebiet. Oberhausen und Essen haben jetzt die Chance auf einen neuen Aufbruch. Den braucht auch Nordrhein-Westfalen.


Ministerpräsidentin Kraft hat neue Minister berufen. Warum kritisieren Sie die junge Familienministerin Christina Kampmann und Arbeitsminister Rainer Schmeltzer noch vor deren Amtsantritt als „das letzte Aufgebot der SPD“?


Laschet: Jeder neue Minister hat eine faire Bewährungschance verdient, besonders Frau Kampmann, die wir alle nicht kennen. Ich hätte allerdings erwartet, dass Frau Kraft angesichts des Formtiefs ihrer Regierung die seit Monaten erwartete Kabinettsumbildung zu einem großen Wurf nutzt.

Doch die riesige Herausforderung der Integration von Flüchtlingen in unsere Belegschaften, Schulen und Kindertagesstätten erfordert meiner Ansicht nach einen anderen Ministeriumszuschnitt und eine starke Persönlichkeit an der Spitze. Stattdessen wird jemand Integrationsminister, der im Landtag durch vieles lautstark aufgefallen ist, aber nicht durch besondere integrationspolitische Kompetenz. Das halte ich für das falsche Signal in dieser historischen Ausnahmesituation.


Liegt der Schlüssel zur Lösung der Flüchtlingskrise nicht eher in Berlin?


Laschet: Der Bund hat beim jüngsten Flüchtlingsgipfel mit Gesetzesänderungen und milliardenschweren Maßnahmen deutlich gemacht, dass er sich in die finanzielle Verantwortung nehmen lässt. Das ist richtig und wichtig. Frau Kraft ist nun in der Verantwortung, das Geld auch wirklich in voller Höhe an die Kommunen weiterzureichen. Aber Integration gelingt ausschließlich vor Ort, insbesondere durch Bildung. Und die Bemerkung von Frau Kraft, irgendjemand wolle zwischen richtigen und falschen Flüchtlingen unterscheiden, ist polemisch und an der Sache vorbei.

Die einen sollen schnell integriert werden, die anderen schnell abgeschoben…


Laschet: Das hat doch mit Richtig und Falsch nichts zu tun. Unser Asylrecht schützt jene Menschen, die vor Tod und Verfolgung fliehen. Wer aber den Demokratien des Westbalkans aus Hoffnung auf ein besseres Leben den Rücken kehrt, fällt unter das Einwanderungsrecht und kann nur nach bestimmten Kriterien unseres Arbeitsmarktes hier bleiben. Es war ein Riesenfehler der Landesregierung, diese Grenzen zu verwischen und Tausende Flüchtlingsbusse einfach ungeprüft in die Kommunen weiterzuschicken. Das hat kein Bundesland so gemacht. Und nirgendwo wurden die Kommen dafür auch noch so schlecht finanziell ausgestattet. Bayern erstattet den Kommunen 100 Prozent aller Kosten, die Landesregierung gibt den ohnehin belasteten Ruhrgebietsstädten bisher nur 30 Prozent. Das muss sich ändern.


Stichwort Arbeitsmarkt: Warum müssen Arbeitgeber, die einen Flüchtling einstellen wollen, erst prüfen lassen, ob nicht ein Deutscher oder EU-Ausländer für den Job in Frage kommt?


Laschet: Ich halte die Vorrangprüfung für eine bürokratische Bremse, die keinem deutschen Langzeitarbeitslosen hilft und Unternehmen die Einstellung von hochmotivierten Flüchtlingen in einzelnen Mangelberufen unnötig erschwert.

RWE darf NRW laut Laschet „nicht egal sein“ 

Rot-Grün plant ein Rettungspaket für die unterfinanzierten Kindertageseinrichtungen in NRW. Muss repariert werden, was Sie als Familienminister 2008 falsch angelegt haben?


Laschet: Im Gegenteil. Das Kinderbildungsgesetz hat 2008 eine finanzielle Förderung pro Kind eingeführt, deren Höhe wir mit sechs Wohlfahrtsverbänden, drei kommunalen Spitzenverbänden und zwei Kirchen im Konsens nach Bedarf festgelegt hatten. Das Gesetz sah zugleich vor, 2011 zu überprüfen, ob das Geld pro Kind reicht. Rot-Grün hat sich bis heute, 2015, geweigert, dieses Versprechen einzulösen. Sie schauen tatenlos zu, wie tausende Kitas von rasant steigenden Lohn- und Betriebskosten erdrückt werden. Stattdessen hat man mit dem Wahlkampfgeschenk eines beitragsfreien Kita-Jahres für Besserverdienende hunderte Millionen ausgegeben. Unsere Anträge auf Erhöhung der Kind-Pauschale hat Rot-Grün immer abgelehnt.


Die Revierkommunen ächzen unter der finanziellen Schieflage des Energieriesen RWE. Muss die Politik gegensteuern?


Laschet: Nordrhein-Westfalen als Energieland Nummer eins darf es nicht egal sein, wenn ein solch großer Akteur und Arbeitgeber wie RWE in die Knie geht. Es gibt aus meiner Sicht eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, gemeinsam mit dem Unternehmen die Bewältigung der Vergangenheitslasten aus vielen Jahrzehnten zuverlässiger Kernkraft- und Braunkohlestrom-Lieferung zu organisieren.

Es ist keine vorausschauende Politik, RWE das Geschäftsmodell wegzunehmen und den ganzen Konzern vor die Wand zu fahren. Die Entscheidung für die Kernkraft war eine politische, der Ausstieg ebenfalls. Damit darf man das Unternehmen und die Ruhrgebietskommunen nicht alleine lassen.


Wie kommt NRW aus dem Autobahn-Dauerstau?


Laschet: Ich kann nicht begreifen, dass sich Nordrhein-Westfalen aus rein ideologischen Gründen einer öffentlich-privaten Partnerschaft beim Straßenbau verweigert. Viele Pensions- und Rentenfonds suchen angesichts niedriger Zinsen international Anlagemöglichkeiten, doch Rot-Grün verteufelt private Investoren und lässt die Autofahrer lieber die nächsten 20 Jahre weiter im Stau stehen. Der volkswirtschaftliche Schaden dieses organisierten Stillstands in der NRW-Infrastrukturpolitik ist gigantisch.