Das Bundesfinanzministerium hat am Donnerstag (4.4.) rund 150 Bürger ins Essener Colosseum eingeladen – Stahlträger, roter Teppich, bunte Screens und Hintergrundwände – um mit Finanzminister Christian Lindner (45) ins Gespräch zu kommen.
Lindner – blauer Anzug, weißes Hemd, krawattenlos – erscheint dynamischen Schrittes. Nach kurzem Vorgeplänkel bittet der FDP-Politiker die Bürger: „Bitte nehmen Sie kein Blatt vor dem Mund.“ Alles sei erlaubt. Auch Meinungen dürften geäußert und nicht nur Fragen gestellt werden.
Bürgerin: „Wann ist die Klimakrise so weit fortgeschritten, dass Sie Verzicht als angemessene Maßnahme ansehen?“
Lange muss Lindner nicht warten, bis dem nachgekommen wird. „Wann ist die Klimakrise so weit fortgeschritten, dass Sie Verzicht als angemessene Maßnahme ansehen?“, fragt eine Teilnehmerin den Minister spitz.
„Ich halte Verzicht nicht für eine Möglichkeit“, entgegnet der FDP-Politiker kühl, der für diese Jahreszeit erstaunlich gebräunt wirkt. Hat der FDP-Boss etwa das sonnige Osterwochenende auf Sylt verbracht, bevor er in den verregneten Pott musste? Jedenfalls führt er ruhig aus, warum er das glaubt. Begleitet von Zwischenrufen, die unmöglich machen, ihm zu folgen.
Protestler: „Die FDP blockiert“
Als ein Grüppchen um die Fragestellerin Transparente hochhält („Die FDP blockiert“ und „Wissenschaft wird ignoriert“) und dabei zu Sprechchören anstimmt („Sie verbrennen unsere Zukunft; Sie schützen Fossilinteressen!“) wird es den Sicherheitsleuten zu bunt. Sie verweisen die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“, wie Lindner zu wissen glaubt, des Saales.
Dabei – und das ist ihnen wichtig zu betonen – sind sie nicht die „Letzte Generation“, sondern die „Scientists For Future“. Bernhard Seitler ist einer von ihnen. Mittlerweile draußen im kalten Regen vor der Halle erklärt der Arzt und Medizinethiker der Uni-Klinik Köln unserer Redaktion: „Ich bin heute hier, weil ich gegen die Politik von Christian Lindner und die seiner Partei protestieren möchte.“ Er mache dies aus Sorge um die kommende Generation.
Klimaaktivist: „Die Geschichte wird ein Urteil über ihn fällen, das vernichtend ist.“
Eines sei ihm wichtig: „Ich richte mich explizit gegen Christian Lindners Politik und die Ansichten der FDP, weil die mit Abstand die menschenverachtendste Politik innerhalb der Ampel ist.“ Engagiert und mit weit aufgerissenen Augen weist er auf die Folgen der Klimakrise hin und sagt: „Die Geschichte wird ein Urteil über ihn fällen, das vernichtend ist.“
„Ein Ziel haben wir erreicht“, gibt er sich zufrieden. „Wir haben ganz klar schwarz auf weiß: Lindner scheißt auf den Budgetansatz.“ Dabei sei der Budgetansatz die einzige Möglichkeit, um die Klimaziele zu erreichen. „Na ja“, sagen später andere Teilnehmer leicht genervt auf die Klimaaktivisten angesprochen, „die wollten ja gar nicht mehr reden“. Für Lindner fanden sie hingegen lobende Worte. Ein „netter Kerl“ sei der Lindner.