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Der Wulff im Schafspelz

Der Wulff im Schafspelz

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Das Verhalten des Bundespräsidenten in der Kredit-Affäre ist ein Schauspiel zum Fremdschämen. Wir erwarten doch keine Übermenschen in den höchsten Staatsämtern, aber wir wollen uns auch nicht für sie entschuldigen müssen. Ein Kommentar von Stefan Kläsener, Chefredakteur der Westfalenpost.

Hagen. 

Am 4. Oktober, gestern vor drei Monaten, hielt der Bundespräsident im Berliner Schloss Bellevue vor einer Runde von Chefredakteuren ein flammendes Plädoyer für die Pressefreiheit. Mit dabei: der Chefredakteur der Bild-Zeitung, den er zweieinhalb Monate später via Mailbox und Telefonaten mit seinen Vorgesetzten übelst unter Druck setzte. Man fragt sich, was in diesem Mann vor sich geht, dass er derart mit gespaltener Zunge reden kann, wie er es offenbar kann.

Nun kam also gestern das Schuldeingeständnis, das Gelöbnis der Besserung, die Bitte um eine Gnadenfrist für den Rest seiner Amtszeit, an deren Ende man ihn bitte erst beurteilen möge.

Der Beobachter ist einigermaßen fassungslos. Wir sprechen hier vom ersten Mann im Staate, vom obersten Repräsentanten des größten EU-Mitgliedslandes. Allein der Rahmen seiner gestrigen Entschuldigung, ein Interview in den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, ist einigermaßen skurril. Was nun?

Christian Wulff hat das Amt des Bundespräsidenten selbst angestrebt, nachdem sein Vorgänger Horst Köhler überraschend (und ebenfalls des Amtes unwürdig) hinwarf. Er kam mit Ach und Krach ins Amt. Der Rest ist bekannt.

Seine gestrige Einlassung, er habe im Amt des Bundespräsidenten erst lernen müssen, mit der Presse umzugehen, enthält eigentlich schon den nächsten Skandal. Wie gehen denn Ministerpräsidenten in Deutschland sonst mit der Presse um? Hat nicht jeder Bürgermeister eine klare Haltung dazu, wie er die Pressefreiheit zu achten hat? Tausende Amts- und Mandatsträger müssen sich verschaukelt fühlen, wenn offenbar erst im obersten Staatsamt der Knigge für den rechten Umgang mit der Öffentlichkeit erlernt wird.

Und dann die schwache Verteidigung der Wulff’schen Ferienplanung: „Zu Gast bei Freunden.“ Jeder Facharbeiter, der mühsam für den Sommerurlaub spart, muss sich verwundert die Augen reiben.

Es ist einfach ein Schauspiel zum Fremdschämen. Wir erwarten doch keine Übermenschen in den höchsten Staatsämtern, aber wir wollen uns auch nicht für sie entschuldigen müssen. Und dass eine Amtszeit als Gnadenfrist zu verstehen ist, steht auch nicht in der Verfassung.