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Der Nazi-Schneider

Hugo Boss arbeitet Nazi-Vergangenheit auf

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Mit Uniformen für die Wehrmacht und die Waffen-SS gelang Hugo Boss während des Zweiten Weltkriegs der Aufstieg. Jetzt stellt sich die Modemarke der Vergangenheit und hat eine historische Studie in Auftrag gegeben, die in Kürze veröffentlicht wird.

Essen. 

„SA-, SS-, und HJ-Uniformen aus eigener Herstellung in bekannt guten Qualitäten und billigen Preisen.“ So warb Hugo Ferdinand Boss 1933 in Anzeigen für seine Produkte. Stolz war die schwäbische Schneiderei mit Sitz in Metzingen darauf „Parteiausrüster bereits seit 1924“ zu sein. Die dunkle Vergangenheit der renommierten Mode-Marke wirkt heute wie ein hässlicher brauner Fleck auf einer noblen Herrenweste.

Wie konnte sich ein kleiner Handwerksbetrieb zu einer globalen Luxus-Marke entwickeln mit Geschäften an den teuersten Boulevards der Welt? Wie konnte der Schneider und Firmengründer Hugo F. Boss, ein Mann von bescheidenem Ehrgeiz, ausgerechnet während der Nazi-Zeit sein Geschäft zur Blüte führen, in großem Stil die braunen Horden mit Kleidung ausstaffieren und 1942 einen Rekordumsatz von einer Million Reichsmark ausweisen?

Bereits die zweite Studie

In Kürze erscheint im Beck-Verlag eine Studie des Historikers Roman Köster von der Universität der Bundeswehr in München: „Hugo Boss, 1924-1945. Eine Kleiderfabrik zwischen Weimarer Republik und Drittem Reich“. Die Arbeit im Auftrag des Unternehmens beantwortet diese Fragen und bietet einen spannenden Einblick in die Produktionsbedingungen während der Nazi-Herrschaft, die ähnlich wohl auch für andere Betriebe gegolten haben. Die heutige Hugo Boss AG will mit Hilfe der Wissenschaft endlich Schluss machen mit immer wieder auftauchenden Gerüchten und Anfeindungen und sich der Firmengeschichte stellen.

Hugo Ferdinand Boss sei „Hitlers Schneider“ gewesen, habe Paradeuniformen für die Nazi-Elite entworfen. So titelten die Zeitungen vor einigen Jahren, als erste Hintergründe des wundersamen Boss-Aufstiegs bekannt wurde. Die Vorwürfe bedrohten das glänzende Image der Modemarke. Um darauf eine sachliche Antwort zu geben, beauftragte die Firma bereits Ende der 1990er-Jahre die Historikerin Elisabeth Timm, heute Professorin an der Uni Münster, mit der Aufarbeitung der Historie.

Dokumente sind verschwunden

Doch wurden ihre Ergebnisse nie gedruckt, nur im Internet ist ihre Studie nachzulesen (www.metzingen-zwangsarbeit.de). Sie habe die Studie relativ kurzfristig erstellen sollen und wegen des „engen Zeitfensters“ nicht alle wichtigen Archive einsehen können, begründet heute das Unternehmen auf Anfrage die Entscheidung, die erste Arbeit nicht zu veröffentlichen.

Sollte hier etwas unter den Teppich gekehrt werden? „Das glaube ich nicht“, sagt der Autor der Nachfolgestudie, Roman Köster, der WAZ. „Mir standen mehr Quellen zur Verfügung, vor allem Zeitzeugenberichte ehemaliger Zwangsarbeiter. Das ergibt ein präziseres Bild.“ Allerdings konnte so der Eindruck entstehen, Timm habe missliebige Fakten ausgegraben, räumt Köster ein. Auch der Umstand, dass sämtliche Firmendokumente aus der Zeit verschwunden sind, macht Köster nicht misstrauisch; das Archiv beginnt erst in den 1970er-Jahren. Köster: „Das erlebe ich oft. Vermutlich wurden die Akten bei einem Umzug achtlos vernichtet.“

Eintritt in die Partei

1924 gründete Hugo F. Boss seine Kleiderfabrik mit einigen Nähmaschinen. Zunächst wurden von Hemden bis Trachtenjoppen alle möglichen Kleidungsstücke hergestellt. 1931 musste Boss als Folge der Wirtschaftskrise Konkurs anmelden. Im selben Jahr trat er der NSDAP bei, die ihm Aufträge für Parteiuniformen verschaffte. Ohne das Parteibuch wäre er nie an Aufträge gekommen, sagte Boss später. Das mag gestimmt haben, nur dürfe man die Äußerungen nicht so verstehen, dass Boss dem Nationalsozialismus fern gestanden habe. „Das war ganz sicher nicht der Fall“, schreibt Köster.

Das Unternehmen erholte sich stetig. Ab 1938 ging es rasant aufwärts, dicke Aufträge über Wehrmachts-Uniformen brachten Boss offenbar zum Jubeln. Köster zitiert die ehemalige Näherin Edith Poller: „Als die großen Aufträge kamen, haben die angefangen zu spinnen, da haben die gewusst: Jetzt haben wir’s geschafft.“ 140 Zwangsarbeiter, zumeist Frauen, halfen Boss bei seinem Aufstieg. Vom Leitungspersonal wurden sie zum Teil schlimm behandelt. Boss trat dabei nicht hervor, „schritt aber auch nicht dagegen ein“.

Ende September wird die Unternehmensstudie in einer kleinen Auflage von vielleicht 500 Exemplaren erscheinen. Boss wird auf der Homepage einen Hinweis platzieren, „das war’s dann“, sagt Köster.

Nach dem Krieg

Hugo Boss produzierte während des Zweiten Weltkriegs hauptsächlich Wehrmachtsuniformen sowie Uniformen für die Waffen-SS, ergaben die Recherchen von Roman Köster. Boss profitierte zwar von den Nazi-Aufträgen, wurde dadurch aber nicht zu einem Großunternehmen. Es gebe „keinerlei Hinweis“, dass Boss eine herausgehobene Rolle gespielt habe, so Köster. Vielmehr scheint der Betrieb für die Uniformproduktion „geradezu typisch gewesen zu sein“.

Nach dem Krieg galt Boss als „belastet“ und musste eine Geldstrafe von 100000 Reichsmark zahlen. Die Gründe waren seine frühe NSDAP-Mitgliedschaft und dass er von der NS-Herrschaft profitiert hatte. Auch seine Freundschaft zu einem in Metzingen berüchtigten Ortsgruppenleiter spielte eine Rolle. Boss produzierte zunächst weiter Uniformen, nun aber für die französische Besatzungsmacht. Unter Hugo Boss’ Schwiegersohn Eugen Holy kamen Herrenanzüge ins Programm. 1969 übernahmen die Jochen und Uwe Holy die Leitung. Sie formten Boss zu einem Modekonzern. Ende der 90er-Jahre zahlte das Unternehmen in den Fonds zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter ein.