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Blanko-Ausweise sind in Kriminellen-Szene viel Geld wert

Blanko-Ausweise sind in Kriminellen-Szene viel Geld wert

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So sieht das Ausweis-Dokument aus. Foto: Oliver Schaper
Verschwundene und geraubte Blanko-Ausweise, wie in Dortmund, bereiten den Sicherheitsbehörden Sorge. Für welche Straftaten werden sie missbraucht?

Essen. 

Offiziell bestätigt ist es nicht. Aber in der Dortmunder Stadtverwaltung wird die Zahl der verschwundenen Blanko-Papiere für Ausweise mit 750 beziffert – ein ganzes Paket. Was im November 2015 auf der Autobahn bei Düren mit dem Fund eines einzigen Exemplars mit Dortmunder Verwaltungskennung im Unfallauto eines Rumänen begann, wächst sich vielleicht zu einer echten Kriminalaffäre aus. Wurden die Dokumente aus kommunalen Hochsicherheitsbereichen gestohlen?

Alarmierend ist: Blanko-Ausweise sind im Milieu der Dealer, Schlepper, von Terroristen und der Organisierten Kriminalität (O.K.) begehrt. Erst 2014 stellte sich bei zwei großen Prozessen gegen eine albanische Bande in Köln und Aachen heraus, dass Ausweisfälschungen nicht nur Teil des O.K.-Geschäfts sind. Ausländische Täter „arbeiten“ auch unter solchen falschen Identitäten im Bundesgebiet. 2014 hat die Bundespolizei deutschlandweit 4800 Urkundenfälschungen registriert.

Was sind Blanko-Ausweise?

Es sind Vordrucke für „vorläufige Personalausweise“. Sie tragen schon Seriennummern, aber noch nicht die kommunalen Dienstsiegel. Die Zeilen für die Angaben Name, Vorname, Geburtstag und -ort, gegenwärtige Anschrift und Ausstellungsdatum sowie für persönliche Kennzeichen (Größe, Augenfarbe) sind unbeschrieben. Die Blanko-Papiere werden von der Bundesdruckerei an die Ausweisbehörden (Städte, Kreise) übermittelt, wo sie normalerweise in Tresoren aufbewahrt und bei Bedarf an die Bürgerämter herausgegeben werden.

Wie viele vorläufige Ausweispapiere geben die Städte pro Jahr aus?

Das kommt auf die Größe der Stadt an. Im Fall Dortmund sind es rund 15.000, darunter 8000 vorläufige Personalausweise, 2000 vorläufige Reisepässe und 6000 Kinderreisepässe.

Wie kommen diese Dokumente in den Besitz von Kriminellen?

Nicht selten sind Einbrüche in Rathäuser:

  • 2005 knackten Unbekannte den Tresor des Ausländeramtes in Wuppertal. Sie nahmen Vordrucke für 5000 Aufenthaltsgenehmigungen samt Dienstsiegel mit. Schwarzmarktwert damals: 2,5 Millionen Euro. Doch die Einbrecher verkannten diesen Wert. Sie nahmen 10.000 Euro Baregeld mit, die auch noch in dem Büro lagen. Und warfen 3500 Blanko-Dokumente in die Wupper, wo sie ein Schwebebahnfahrer sah. Der Rest blieb verschwunden.
  • Eine Serie gab es in Berlin 2009, als nacheinander drei Bezirksverwaltungen ausgeraubt wurden. 5000 Blanko-Papiere wurden dabei erbeutet. Ermittler fanden später Hinweise, dass dieses Diebesgut zum Teil für die Ausstattung von Terroristen im Irak bestimmt war.
  • 2015 verwüsteten Einbrecher das Bürgeramt im rheinischen Neuss. Schränke und Schreibtische wurden durchwühlt. Gestohlen wurde auffälligerweise: nichts. Das hat bei der Stadtverwaltung den Verdacht geweckt, dass die Diebe ausschließlich Blanko-Papiere wollten. Die waren zu diesem Zeitpunkt aber anderswo gelagert.
  • Auch 2015 gab es Einbrüche in Sachsen in kleineren Rathäusern, wie dem von Falkenhayn, wo im Einwohnermeldeamt 30 Vordrucke verschwanden.

Was sind Blanko-Papiere und gefälschte Ausweise auf dem Schwarzmarkt wert?

Bei verschiedenen Strafverfahren hat sich herausgestellt, dass der Verkauf je Papier zwischen 250 und 2500 Euro bringen kann.

Wie können Kriminelle solche Vordrucke und Ausweispapiere generell manipulieren?

Jens Flören vom für Nordrhein-Westfalen zuständigen Bundespolizei-Bezirk in St. Augustin kennt drei verschiedene Versionen dieser Straftaten:

  • Totalfälschungen. Sie werden zum Beispiel mit Farbkopierern ausgeführt.
  • Gefälschte, also vom Täter ausgefüllte Blankodokumente, wie sie in Dortmund abhanden gekommen sind.
  • Gestohlene und dann verfälschte echte Ausweise und Pässe, in denen nur der Namen und die Personalangaben verändert wurden.
  • Vor allem Blanko-Vordrucke sind gut zu manipulieren: „Die echten Vordrucke fühlen sich natürlich eben wie echte Dokumente an“, sagt Flören. An den Grenzen zu NRW und den Flughäfen im Land geben die Beamten deshalb besonders auf solche Papiere acht.

Wozu nutzen Kriminelle falsche Ausweise?

Die noch harmloseste, aber nicht seltene Variante: Der klassische Betrugsfall wie dem bei einer Fahrkartenkontrolle. Der Täter täuscht den Zugbegleiter mit der Vorlage eines gefälschten Ausweises und drückt sich so um die Ahndung der Schwarzfahrt. Aber auch: Gefälschte Papiere stellt die Bundespolizei häufig an den Grenzen sicher, wo mit diesen Dokumenten die Einreise versucht wird. Und es gibt „mittelbare Falschbeurkundungen“, die die Sicherheitsbehörden besonders alarmieren. Dazu zählen die Blanko-Papiere, die der Islamische Staat (IS) bei seinen Raubzügen durch syrische Behörden in erheblichen Größenordnungen erbeutet hat und mit denen er Terroristen für den Einsatz im Ausland ausstattet.

Wann ist im Fall der verschwundenen Dokumente aus Dortmund mit mehr Klarheit zu rechnen?

Nicht vor Juni, sagt die Stadtverwaltung.