Paris. Der Hundefriedhof von Asnières-sur-Seine bei Paris ist der älteste der Welt. Auch Kaninchen, Tauben, Affen, Hammel und Pferde sind hier beigesetzt. Ein melancholischer Ort, reich an Herz zerreißenden Anekdoten.
Er war ein berühmter Schauspieler. Ein umjubelter Kinostar, als die Bilder gerade laufen lernten. Ein feiner Kerl, der für damalige Verhältnisse auch noch sensationelle 6000 Dollar in der Woche verdiente. Als er 1932 zum Kummer von Millionen Fans verschied, überführten sie ihn in die Heimat. Seitdem ruhen seine sterblichen Überreste friedlich am Ufer der Seine. Unser Held ist ein deutscher Schäferhund mit magischem Namen: „Rin Tin Tin.“ In den Goldenen Zwanzigern der „Wonderdog“ von Hollywood zählt er heute zu den Stars auf dem Hundefriedhof in Asnières-sur-Seine bei Paris.
Die letzte Ruhestätte für Bellos und Stubentiger, mitten im Großstadt-Rummel idyllisch gelegen auf einer früheren Seine-Insel, ist der älteste Hundefriedhof der Welt – und wahrscheinlich auch der ungewöhnlichste. Ein melancholischer Ort, reich an Herz zerreißenden Anekdoten. „Hier liegt Polizeihund Dora“, sagt die Beigeordnete Blanche Mühlmann, „und dort ruht Papillon“. Letzterer, eine Pariser Version von „Kommissar Rex“, ging pflichtbewusst im 16. Arrondissement auf Streife – und starb im Dienst. Eine besonders anrührende Widmung hat eine Mutter auf dem Gedenkstein für „Loulou“ hinterlassen, der sein Leben für das ihres Sohnes geopfert hat. „Loulou“ zog den hilflosen Knaben mit letzter Kraft aus den Fluten der Garonne, bis er selbst nicht mehr konnte und qualvoll ertrank.
Mehr als 100.000 Hunde und Katzen bestattet
In über 110 Jahren haben sie hier an die 100.000 Hunde und Katzen bestattet. Sie heißen „Zora“, „Tosca“, „Rubis“, Bimbeau“, „Titi“ . . . . Über 2700 Gräber zählt diese Nekropole der Knuddeltiere, die an sich ein Denkmal ist: eins, das tausendfach abgewandelt die abgrundtiefe Liebe des Menschen zur Kreatur symbolisiert. „Dass du hier so sanft ruhst, wie dein Herz gut war“, steht auf „Daisys“ Stein. „Kompagnon des Lebens, du hast uns alles gegeben“ lautet die Widmung an „Sultan“, einen Schäferhund, geborener „Galant vom Hatzfeld“.
Nun, auf dem Friedhof von Asnières, geht die Tierliebe weit über Hund und Katze hinaus. Mitunter nimmt der Totenkult sogar groteske Züge an. Schließlich kommen hier auch Hasen und Hammel, Kaninchen und Meerschweinchen, Tauben und Papageien unter die Erde – nicht zu vergessen das Hühnchen (“mein Liebling“). Unter dem Foto von Äffchen „Kiki“ steht andächtig: „Schlaf ruhig, mein Chérie, du warst die Freude meines Lebens“.
Längs der begrünten Böschung, wo früher die Seine-Wellen ans Ufer schlugen, haben sie die toten Rösser gebettet. In der aufwändigsten Gruft des ganzen Friedhofs, in einem mit einem riesigen Granitdeckel versehenen Grab, ruhen nicht weniger als sieben Ponys. Die Kosten? „Die gehen in die Zigtausende“, bemerkt der Friedhofswärter. „Ilette“, „Julie“, „Agatha“, „Uros“, „Lucky“, „Joseph“ und „Ophelie“ werden nämlich noch über vierzig Jahre lang hier ruhen.
Manche Herrchen besuchen Friedhof jeden Tag
Wenn’s ums beisetzen geht, sind die Tiere hier auch nur Menschen. „Die Friedhofssatzung ist ähnlich wie bei normalen Friedhöfen“, sagt die Beigeordnete, „nur religiöse Zeremonien sind strengstens untersagt.“ Es gibt Gruften und Einzelgräber, der Tier-Bestatter nebenan liefert Särge aus Eiche oder Kiefer sowie Grabschmuck in allen Variationen. „Manche kommen jeden Tag vorbei, um zu trauern“, sagt der Wärter.
Der Pariser Hundefriedhof genießt weltweit Kultstatus. So finden sie von überall her – auch von Übersee und Fernost – den Weg nach Asnières. Wie unlängst die steinreiche New Yorker Brauereibesitzerin, die ihrem geliebten „Tipsy“ ein Kitsch-Denkmal mit allem Schnickschnack setzte: roter Granit in Sonnenform, darin eingearbeitet ein knallrotes Herz und Marienkäfer, der Mond, Sterne und Engel: Tipsy, der schwarze Pudel – „für immer in unserem Herzen“. Man munkel, die spleenige Multimillionären habe auch noch eine kostbare Perlenkette mit ins Grab legt.
Der Hund ist ein Lebensretter ist ein Held – in Asnières erheben sie diesen Mythos gerade zu zum Leitmotiv. Treue Freunde des Kaiser Napoléon I. etwa verneigen sich alljährlich vor einer schwarzen Granittafel mit goldenen Lettern: zum Gedenken an den Hund „Moustache“ – „den Helden der Grand Armée, gefallen in Spanien am 11. März 1811“. Direkt vor dem prachtvollen Jugendstil-Eingangsportal steht das „Barry“-Denkmal zu Ehren des Super-Bernhardiners, der 40 Menschen rettete und beim 41. Versuch selbst ums Leben kam.
Kaum zu glauben, aber wahr: Man schrieb das Jahr 1958, als sich ein herum sträunender, namenloser Pariser Straßenhund mit letzter Kraft über den „Pont de Clichy“ schleppte. Des Lebens überdrüssig legte er sich vor das prachtvolle Jugendstil-Portal, um friedlich zu entschlafen. Seitdem ruht auch er auf dem Hundefriedhof.