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Wie Sie Krankheitskosten von der Steuer absetzen können

Wie Sie Krankheitskosten von der Steuer absetzen können

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ORTHODONTICS, CHILD Foto: Ullstein
Die Brille, die Zahnspange oder der Rollstuhl für das Kind: Steuerzahler können den Fiskus an den Kosten für die Gesundheit beteiligen. Und so geht’s.

Berlin. 

Die neue Brille, der Zahnersatz oder die Fahrtkosten zum Arzt: Krankheitskosten, die die Kasse nicht übernimmt, können schnell tiefe Löcher ins Portemonnaie reißen. Nicht selten kommen dabei mehrere Tausend Euro im Jahr zusammen. Doch es gibt ein Trostpflaster: Steuerzahler können den Fiskus an den Kosten für ihre Gesundheit beteiligen. So geht’s.

Zumutbare Belastungen

Das Stichwort aus dem Steuerrecht lautet „außergewöhnliche Belastungen“. Wenn ein Bürger ‚„zwangsläufig“ größere Summen für seine Gesundheit oder die seiner Familie aufwendet, kann er einen Teil davon steuermindernd in seiner Einkommensteuererklärung ansetzen. Aber bislang eben nur einen Teil. Nämlich jenen, der den Anteil der „zumutbaren Belastung“ übersteigt. Was der Fiskus für zumutbar hält, hängt von der Leistungsfähigkeit des Steuerbürgers ab. Diese bemisst sich am Einkommen, am Familienstand und an der Anzahl der Kinder. So mutet das Finanzamt einem Single mit einem Jahres-Einkommen von über 50 000 Euro einen Eigenanteil von sieben Prozent seiner Einkünfte zu. Der Single mit einem Jahresbruttoeinkommen von 60 000 Euro muss also Krankheitskosten bis zu 4200 Euro im Jahr selbst schultern, ohne dass ihm der Fiskus dabei unter die Arme greift.

Deutlich freundlicher geht das Finanzamt mit Familien um. Ein Ehepaar mit zwei Kindern kommt bei Jahreseinkünften von 40 000 Euro auf eine zumutbare Eigenbelastung von nur drei Prozent oder 1200 Euro im Jahr, rechnet der Bund der Steuerzahler NRW vor. Das heißt: Alles, was darüber hinausgeht, muss der Fiskus als „außergewöhnliche Belastung“ bei der Ermittlung der Steuerlast berücksichtigen.

Diese Kosten sind absetzbar

Was aber darf man eigentlich ansetzen? Gar nicht so wenig. Zum Beispiel Arzneimittel oder Verbandsmaterial. „Sobald der Patient ein Rezept hat, sollte er seine Ausgaben in der Steuererklärung angeben“, empfiehlt die Stiftung Warentest. Neben den Rezepten gehören natürlich auch die Quittung für das Medikament oder für eine Zuzahlung in die Steuererklärung.

Ohne Rezept geht in der Regel gar nichts – der Fiskus hält die Ausgabe dann eher für eine Art privates Wellnessvergnügen, das nicht zwingend für den Erhalt der Gesundheit erforderlich ist. Die Antibaby-Pille kann man zum Beispiel nicht absetzen. Anders sieht es bei einer künstlichen Befruchtung, bei Igel-Leisungen, bei Zahnimplantaten, Brillen und Kontaktlinsen, Laseroperationen am Auge, verordneten Arzneien oder etwa bei Zuzahlungen zu einer Kur oder einer Reha-Maßnahme aus. Letztere erfordern eine amtsärztliche Bescheinigung.

Für eine Physiotherapie hingegen reicht ein einfaches Rezept vom Arzt. Auch den Besuch beim Heilpraktiker oder die Kosten für die Fahrt zum Arzt kann man in der Steuererklärung unterbringen. Die Kosten für ein Taxi lässt der Fiskus allerdings nur in begründeten Ausnahmefällen gelten. Eine professionelle Zahnreinigung erkennt der Fiskus übrigens nicht an. Für Rollstühle, Einlagen, Hörgeräte und andere Hilfsmittel verlangt das Finanzamt eine Rechnung und eine Bescheinigung vom Arzt. Kurzum: Wer über das Jahr fleißig Quittungen und Rezepte sammelt, kann seine Steuerlast erheblich drücken. Auch Ausgaben für die Kinder gehören dazu. Die Rechnung über die neue Zahnspange der Tochter etwa kommt auch in die Steuererklärung.

Wichtiges Urteil steht aus

Ganz wichtig: Beim Bundesfinanzhof (BFH) sind derzeit mehrere Verfahren anhängig, die sich mit der Frage beschäftigen, ob der heute „zumutbare Eigenanteil“ bei den Krankheitskosten überhaupt mit der Verfassung vereinbar ist (Az. VI R 32/13 und VI R 71/13). Das ist rechtlich umstritten. Die Kläger argumentieren, der Fiskus müsse die gesamten Krankheitskosten steuermindernd anerkennen, weil auch Sozialhilfeempfänger keinen Eigenanteil tragen. Das heißt: Urteilt der BFH im Sinne der Kläger, müsste das Finanzamt Krankheitskosten vom ersten Euro an akzeptieren.

Ein steuerzahlerfreundliches Urteil würde auch rückwirkend gelten. „Wir raten deshalb allen Steuerzahlern, sämtliche Ausgaben in der Steuererklärung anzugeben“, sagt Uwe Rauhöft vom „Neuen Verband der Lohnsteuerhilfevereine“. Der Bund der Steuerzahler NRW empfahl auf Anfrage ebenfalls, alle Quittungen und Rezepte zu sammeln; selbst wenn man erwartet, mit seinen Gesundheitsausgaben unter der aktuell gültigen Grenze für den Eigenanteil zu bleiben. Denn: Seit September 2013 sind alle Steuerbescheide mit außergewöhnlichen Belastungen mit einem so genannten „Vorläufigkeitsvermerk“ versehen. Bei einem positiven BFH-Urteil gibt es ohne Einspruch automatisch Geld zurück. Mit einem Urteil ist im Laufe des Jahres zu rechnen.