Seine Karriere begann bei Wim Wenders. Heute verleiht der 73-Jährige Filmen auch in Nebenrollen Glanz. Seine Liebe gilt seiner Frau – und Frankreich.
Paris.
Sein Gesicht kennen viele, seinen Namen nur wenige: Rüdiger Vogler gehört zu den Schauspielern, die einem Film selbst in Nebenrollen Glanz verleihen. Der 73-Jährige war kürzlich in Margarethe von Trottas Film „Die abhandene Welt“ zu sehen. Im September spielt der gebürtige Schwabe in dem ZDF-Film „Tod auf der Insel“ einen Mann mit finsterem Geheimnis. Jürgen Overkott erreichte den Künstler in seiner Wahl-Heimat Frankreich.
Sie leben in einem winzigen französischen Dorf, exakt 600 Kilometer entfernt von Paris. Was hat Sie dahin verschlagen?
Ach, der Zufall, gewissermaßen. Wir (er und seine Frau; Red.) haben in einer Pariser Bäckerei ein Foto von einem Haus gesehen, das uns sehr gut gefallen hat. Jedenfalls sind wir – sagen wir: in einem Anfall von persönlichem Schwachsinn – hingefahren, und das Haus hat uns auch vor Ort auf Anhieb gefallen. Es ist ein kleines, altes Bauernhaus mit einem halben Hektar Land, mit einem schönen Garten und Rosen – wunderbar. Und schön ist auch: Es gibt dort keine Touristen.
Sie haben eine kleine Streuobstwiese und machen Ihren eigenen Obstbrand…
(lacht) Nee. Aber wahr ist: Als wir einzogen, hatten die alten Besitzer einen guten Zwetschgen-Schnaps, den sie selber haben brennen dürfen. Aber mittlerweise ist die Konzession abgelaufen.
Sie leben schon seit vielen Jahren in Frankreich, was für Vertreter Ihrer Generation nicht selbstverständlich ist. Was hat Ihre Liebe zu Frankreich begründet?
Ganz einfach: Meine jetzige Frau habe ich kennengelernt 1975; sie hat damals in Paris gewohnt. Wir haben uns verliebt, und ich habe sie dort besucht und besucht. Irgendwann hatten wir ein Kind, und da habe ich mich entschlossen, in Paris eine Wohnung zu beziehen.
Der Liebe zu Ihrer Frau ist möglicherweise die Liebe zum französischen Kino vorausgegangen.
Das auch. Das war in der Zeit nach den ersten drei Wenders-Filmen, die ich gemacht habe, „Alice in den Städten“, „Im Lauf der Zeit“, „Falsche Bewegung“. Diese Filme wurden in Frankreich sehr, sehr gemocht. „Alice in den Städten“, beispielsweise, lief anderthalb Jahre im selben Kino in Marais. Das habe ich zu spüren bekommen, und hatte zur Folge, dass ich in Frankreich sofort arbeiten konnte, sogar am Theater.
Sie waren der Botschafter des neuen Deutschlands…
…vor allem aber des Neuen Deutschen Films.
Haben Sie jemals anti-deutsche Vorurteile erlebt?
Nein, weil die Franzosen wussten, dass ich an Kriegsgreueln nicht beteiligt gewesen sein konnte, aufgrund meines Alters. Wobei man nicht vergessen darf, dass es in Frankreich eine nicht aufgearbeitete Kollaborationsgeschichte gibt.
Wim Wenders hatte jetzt einen runden Geburtstag. Wie haben Sie ihm zum Siebzigsten gratuliert?
Ich habe ihm jedes Jahr eine SMS geschickt, ganz einfach. Wir haben uns zuletzt öfter gesehen, etwa bei der Berlinale.
Hätten Sie sich gerne in Wenders „Buena Vista Social Club“ eingemietet?
Oh ja, gerne. Ich spiele zwar Gitarre, aber ich hätte nicht mitspielen können.
Sie hätten eine Havanna geraucht…
…und eines dieser schönen, alten Autos gefahren.
Was Winders Drehort Kuba und Ihren ZDF-Film verbindet, ist das Wasser; der Film spielt an der Nordseeküste. Welche Erinnerungen verbindet Sie damit?
Ich war früher während der Theater-Ferien mehrfach auf Norderney, und ich habe die Aufenthalte in angenehmer Erinnerung. Die Luft ist gut, das Meerwasser. Nur die Quallen haben mich damals gestört.
Ist das, was wir in dem Film sehen, typisch deutsch?
Nein, diese Art von dunklem Familiengeheimnis gibt es in allen Gesellschaften, in allen Schichten. Viele Familien haben eine sogenannte Leiche im Keller, über die nicht geredet wird, aber Bestand und Basis eines Unglücks sein kann, wenn man nicht durch Nachfragen und Nachforschen, wie in unserem Film, dazu kommt, den Fall aufzuklären – obwohl fast alle Zeugen mehr wissen, als sie sagen. Sie lügen. Nur die Figur, die von Lisa Martinek gespielt wird, lügt nicht, weil sie nichts weiß. Wenn eine solche Geschichte nicht aufgedeckt wird, wird sie mitgeschleppt. Aber ich würde sie nicht als typisch deutsch bezeichnen. Wenn Sie Simenon gelesen haben, wissen Sie: Seine Romane leben von solchen Geschichten.
Auf einer Insel zu drehen, bedeutet: wenig Personal, Kammerspiel. Mögen Sie das?
Ich mag das sehr. Letzten Endes hat der Film eine kleine Schnittmenge mit Filmen von Ingmar Bergmann. Es ist ein Melodram, zu dem noch einen Kriminalfall dazu kommt. Ich mag keine bombastischen Filme, und ich mag keine teuren Filme.