Essen. So richtig herzlich ist es nur selten, das Verhältnis von Schwiegereltern und Schwiegerkindern. Konflikte können vermieden werden, wenn zwei Tipps beherzigt werden: Den Partner des Kindes als ebenbürtigen Erwachsenen anerkennen und Einmischungen in Grenzen halten. Auch wenn’s schwer fällt.
Ein Schwiegermuttersitz ist ein Kaktus mit besonders langen Stacheln. Damit ist er das wohl deutlichste Symbol dafür, wie angeschlagen das Verhältnis zwischen Schwiegerkindern und ihren Schwiegereltern oft ist. Dabei wünschen sich beide Seiten im Grunde nur Verbundenheit und ein gutes Miteinander, wie der Familien- und Beziehungscoach Andreas Himmelstoß aus dem bayrischen Fürstenstein betont: «Ich sehe in meiner Praxis immer wieder, wie sehr alle Beteiligten unter dem Spannungsfeld zwischen Eltern und den Partnern ihrer Kinder leiden.»
Und trotzdem scheinen Schwiegerverwandte seit Generationen immer wieder auf die gleichen Konflikte zu stoßen: Die Jungen fühlen sich überwacht und nicht für voll genommen, die Alten fühlen sich zurückgewiesen. Himmelstoß hat über dieses Phänomen gerade das Buch «Ach, wärst Du nur wie wir» geschrieben, das im September erscheint (Kösel Verlag).
„Zurückhaltung“ ist das Zauberwort
Insgesamt lautet «Zurückhaltung» das Zauberwort, mit dem sich viele Streitereien zwischen den Generationen vermeiden ließen. «Eltern sollten das junge Paar als eigenes System respektieren. Man kann sich vorstellen, dass um die beiden eine Art Ring liegt, in den die Eltern nicht eindringen dürfen», sagt Himmelstoß. «Schwiegereltern haben ein Recht auf eine innere Zugehörigkeit. Aber das bedeutet nicht, dass man sich jeden Tag mit dem jungen Paar zum Kaffeetrinken treffen muss», sagt Himmelstoß.
Viele Schwiegereltern machten von Anfang an den Fehler, den Partner ihres Kindes nicht als ebenbürtigen Erwachsenen zu betrachten. «Für viele Eltern bleibt das eigene Kind immer Kind. Dessen Partner wird dann oft automatisch wie ein weiteres Kind in die Familie aufgenommen und ebenso behandelt», erklärt er. Das Schwiegerkind hingegen begegne den Schwiegereltern wie ebenbürtigen Erwachsenen. «Mütter und Väter müssen sich klar machen, dass sie es mit einem Erwachsenen zu tun haben, der als eigenständig angesehen werden möchte», sagt Himmelstoß.
Die andere Familie nicht schlecht machen
Auch die oft verschiedenen familiären Hintergründe sorgen im Verhältnis von Schwiegereltern und Schwiegerkindern für Irritationen. «Das Schwiegerkind kommt aus einer fremden Familie, in der möglicherweise völlig andere Werte gelten als in der eigenen. Diese Unterschiede wirken für Eltern oft bedrohlich, weil sie ihr gesamtes Lebenskonzept in Frage stellen», erklärt Himmelstoß. Der Versuch, das Schwiegerkind einfach umzuerziehen, so dass es sich an die Gegebenheiten in der Schwiegerfamilie anpasst, könne von diesem hingegen als Kritik an der Ursprungsfamilie aufgefasst werden. «Schwiegereltern sollten versuchen, die Andersartigkeit des Schwiegerkindes wertzuschätzen», sagt Himmelstoß. Oft helfe es Eltern, wenn sie sich hinter dem Partner des Kindes dessen Familie bildlich vorstellen. «So bekommt man einen Eindruck davon, dass auch auf der anderen Seite viele Generationen ihre eigenen Strategien entwickelt haben, denen man Achtung entgegenbringen sollte.»
Viele Eltern fühlen sich insgeheim noch schuldig, weil sie ihrem Kind vielleicht keine ideale Kindheit bieten konnten. Daher mischen sie sich oft immer wieder in das Leben ihrer erwachsenen Kinder ein, legen beispielsweise im Haushalt und bei der Gartenarbeit Hand an. Dem jungen Paar werde dieser Aktionismus schnell zu viel, warnt Himmelstoß. «Es ist wichtig, dass man sich von seinen Schuldgefühlen freispricht. Eltern sollten sich verdeutlichen, dass sie bislang ihr Bestes für ihr Kind getan haben, aber dass es nun an ihm liegt, was es daraus macht.» Wolle man das Paar trotzdem unterstützen, solle man auf jeden Fall vorher fragen, ob diese Hilfe gewünscht sei.
Schwiegertochter wird oft als Konkurrenz gesehen
Besonderes Konfliktpotenzial wird der Verbindung von Schwiegermüttern mit Schwiegertöchtern nachgesagt. «Wenn eine junge Frau in die Familie kommt, sind die Probleme mit der Schwiegermutter vorprogrammiert», ist sich die Österreicherin Gerda Themel, Autorin des Satire-Ratgebers «Der Schwiegermutter-Knigge», sicher. Schon allein die Tatsache, dass die neue Frau an der Seite des eigenen Sohns jünger, schöner und faltenfreier ist, sei für alternde Mütter oft unbewusst problematisch.
Auch die Haushaltsführung der Schwiegertochter führe in vielen Fällen zu Auseinandersetzungen. «Die Schwiegermutter hat natürlich mehr Erfahrung und weiß vielleicht tatsächlich manche Dinge besser. Aber auch die Schwiegertochter hat ein Recht darauf, es auf ihre Art zu lernen», betont Themel. Für den Sohn und Ehemann sei die angespannte Situation zwischen den Frauen besonders schwierig. «Egal, wie er sich verhält – er macht alles falsch. Entweder er kommt mit seiner Mutter in Konflikt, oder er bekommt Ärger mit seiner Partnerin.»
Überenge Bindungen lassen sich auch nach Jahren lösen
Andreas Himmelstoß hat in seinen Paarberatungen allerdings, festgestellt, dass der Konflikt keinesfalls nur bei den Schwiegermüttern liegt. «Auch das Leben der Schwiegerväter wird durch neue Partnerschaften der Kinder mitunter gehörig auf den Kopf gestellt», sagt er. Entscheidend sei, welcher Elternteil eine besonders enge Bindung zum Kind habe. «Wenn ein Kind eine besondere Rolle im Leben eines Elternteils eingenommen hat, kann man es nicht loslassen. Der neue Partner des Kindes versucht dann, diese übermäßige Bindung zu lösen, seinen Partner sozusagen freizukämpfen», erklärt Himmelstoß. In diesem Fall sei oft eine Beratung oder Therapie notwendig, um die unterschwelligen Vereinbarungen in der Familie aufzudecken.
Himmelstoß ist sich sicher, dass sich solche überengen Bindungen auch noch nach vielen Jahren lösen können. Dafür müssen sich Eltern aber erst einmal darüber klar werden, welche Bedürfnisse sie sich bisher über ihr Kind erfüllt haben. «Der Verlust der engen Bindung zum Kind ist vielleicht der Verlust von Lebenssinn, Lebendigkeit oder Freude», sagt Himmelstoß. Kenne man diese Lücken, könne man sie beispielsweise durch ein Ehrenamt oder eine andere Beschäftigung ausfüllen und so die enge Bindung zum Kind langsam ersetzen. (ddp)