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Wenn der Wolf ins Haus kommt

Wenn der Wolf ins Haus kommt

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Wolfshunde geben ihren Haltern den Wildnis-Kitzel. Doch die legalen Rassen sind vielen nicht wild genug. Der Schwarzmarkt für Wolfsmischlinge wächst, warnen Experten. Die wilden Haustiere können gefährlich werden.

Viersen. 

Der Wolf hat sich ein Stück Deutschlands zurückerobert. Nach Jahrhunderten der Ächtung und Ausrottung streifen wieder fünf Rudel durch die Lausitz zwischen Sachsen und Brandenburg – kritisch beäugt von Schäfern und Bauern. Doch auch am Niederrhein begegnet mancher Fußgänger zwei Tieren, die ihn kurz in ehrfürchtiges Schaudern versetzen könnten. Auf den ersten Blick sind Aslan und Baayou für den Laien kaum von ihren wilden Ahnen zu unterscheiden.

Mit wippendem Wolfs-Gang laufen die schlanken, langbeinigen Tiere durch die Viersener Innenstadt oder über die zahlreichen Feldwege in der Umgebung. Neben ihnen geht ein großer Mann mit braunem Lederhut, der immer wieder Spaziergänger beruhigen und aufklären muss. „Nein, das sind keine Wölfe“, sagt Hans-Willi Pertenbreiter dann. „Das sind Saarloos.“ Die Bezeichnung „Wolfshund“ lässt er vorsorglich weg, damit nicht noch mehr Verwirrung entsteht.

„Tickende Zeitbomben“

Dann müsste er noch erklären, dass der Schöpfer seiner Tiere ein Niederländer namens Leendert Saarloos war, der von 1930 bis Mitte der 60er Jahre Schäferhunde mit Wölfen kreuzte. Seit 1975 ist der Saarloos als Hunderasse anerkannt. Für Pertenbreiter ist es wichtig, das klarzustellen. Denn als Hunde und somit legal gelten die Tiere erst, wenn die Einkreuzung des Wolfs mindestens fünf Generationen zurückliegt.

In letzter Zeit jedoch tauchen auf den Treffen des Saarlooswolfhond-Clubs immer wieder Leute auf, die Kreaturen an der Leine führen, deren Wildnis-Einschlag eindeutig zu hoch geraten ist. „Diese Wolfsmischlinge haben mit unseren Hunden nichts zu tun. Das sind tickende Zeitbomben “, sagt Pertenbreiter. Die Tiere seien extrem ängstlich, oftmals aggressiv und ließen sich kaum bändigen. Ihre Halter seien meist denen ähnlich, die sich sonst gerne mit Kampfhunden rüsten. „Oder es sind Wildnis-Freaks, die die Tiere völlig unterschätzen“, klagt Pertenbreiter.

Wolfsmischlinge kosten bis zu 3000 Euro

Auch bei Hundetrainer und Wolfsforscher Michael Eichhorn melden sich zunehmend Halter, die mit einem hochprozentigen Mix aus Wolf und Haushund nicht klar kommen. Eichhorn züchtet in Bad Dürkheim Tschechoslowakische Wolfshunde, die in Deutschland ebenfalls legal sind, die letzte Wolfseinkreuzung liegt hier rund sieben Generationen zurück. „Doch Saarloos und Tschechen sind vielen nicht mehr wild genug“, sagt Eichhorn. „Die Nachfrage nach Wolfsmischlingen ist deutlich gestiegen.“

In Deutschland habe sich eine rege Szene entwickelt, die sich vor allem im Internet tummele. In sozialen Netzwerken wie Facebook würden Welpen für bis zu 3000 Euro pro Stück angeboten. „Je höher der Wolfsgehalt, desto teurer sind die Tiere“, sagt Eichhorn. Viele Wolfsmischlinge werden aus den USA eingeschmuggelt. Falsche Papiere weisen sie als Saarloos oder Tschechoslowakische Wolfshunde aus. In Deutschland werde dann kräftig weitergemixt, sagt Eichhorn.

„Bei einem Wolfsmischling darfst du nie Schwäche zeigen“

Auch Dorit Feddersen-Petersen vom Kieler Institut für Haustierkunde ist alarmiert: Die Verhaltensforscherin leitete jahrelang ein Wolfsprojekt an der Universität und bekam immer wieder Anfragen von Haltern, die ihren Hund mit einem Wolf kreuzen wollten. „Dieser unselige Hang zum Außergewöhnlichen ist grauenhaft“, klagt die Forscherin. Der Haushund habe sich in mehr als 15.000 Jahren an den Menschen gewöhnt und zahlreiche soziale Fertigkeiten entwickelt. Nach dieser ganzen Zeit wieder Wölfe einzukreuzen, sei ein deutlicher Rückschritt, sagt Feddersen-Petersen. „Damit züchtet man die Ängstlichkeit und Unangepasstheit des Wolfes wieder in die Tiere herein.“

In Deutschland gebe es keine offiziellen Zahlen über Angriffe, sagt Eichhorn. In den USA, wo mindestens 100.000 Wolfsmischlinge in Privathaushalten leben, komme es jedoch immer wieder zu Attacken auf Menschen. Die Probleme fangen in der Regel ab dem vierten Lebensjahr an. „Dann werden die Tiere geschlechtsreif und stellen die Rangordnung in Frage“, sagt Eichhorn. Oft seien es deshalb die Halter selbst, die von ihren wilden Haustieren gebissen würden. „Bei einem Wolfsmischling darfst du nie Schwäche zeigen.“ Zudem seien die Tiere Ausbruchskönige: „Der Garten muss ein ordentliches Fundament haben und mit einem Elektrozaun abgesichert werden“, sagt Eichhorn.

„Der Fluchtinstinkt des Wolfes“

Angst vor den eigenen Haustieren kennt Hans-Willi Pertenbreiter dagegen nicht. Seine Saarloos-Wolfshunde würden ihn sogar zur Arbeit begleiten und dort ruhig unterm Schreibtisch schlummern, berichtet er. Auch seine kleine Enkelin spiele mit den Hunden. Dennoch bricht auch in seinen Tieren bisweilen der Wolf durch. Wenn sich ein Fremder nähert, weicht Baayou zunächst scheu zurück. Kein neugieriges Schnüffeln oder Nasestupsen. Dafür lässt der Rüde sich Zeit. „Das ist der Fluchtinstikt des Wolfes“, kommentiert Pertenbreiter.

In Ratgebern wird der Saarloos nur für Halter mit Erfahrung empfohlen. „Kein bequemes Haustier. Ohne gründliche Kenntnisse im Hunde- und Wolfsverhalten ist es verantwortungslos, sich einen Wolfshund anzuschaffen“, warnt etwa der Hunderassen-Führer des Blv-Verlags. Wolfshund-Fan Pertenbreiter hält dagegen: „Wir haben auch unerfahrene Halter im Club, die sehr gut mit ihrem Tier zurecht kommen.“ Der Saarloos sei ein Familienhund. „Man muss sich nur auf das einlassen, was das Tier will, nicht was der Mensch will“, sagt Pertenbreiter. Dennoch ist er der Chef. Seine Hunde gehorchen, doch für schroffe Kommandos und strammes Bei-Fuß-Gehen sind sie ungeeignet. Auch nach dreimal Stöckchenholen wird ihnen langweilig. „Man muss ihnen immer wieder neue Aufgaben stellen“, sagt Pertenbreiter.

Wildlebende Wölfe ungefährlich

Aslan und Baayou lassen sich das Fell zausen, schmusen mit ihrem Herrchen. Doch es fehlt der ergebene Hundeblick, die schwanzwedelnde Begeisterung. Stattdessen strahlen die Hunde eine distanzierte Gelassenheit aus. Diese Unabhängigkeit und ihre Schönheit haben Pertenbreiter von Anfang an fasziniert. Er hat Sorge, dass der Trend zu Wolfsmischlingen die legalen Wolfshunderassen in Deutschland in Verruf bringen könnte.

Eichhorn fürchtet dagegen auch um das Image der Wölfe, die jetzt wieder in Deutschland leben. „Ein Wolf läuft weg, wenn er uns bemerkt. Doch ein Wolfsmischling hat sich zu sehr an uns gewöhnt.“ Der Wolf in freier Wildbahn sei für den Menschen ungefährlich, bestätigt Feddersen-Petersen. „Gefährlich wird es nur, wenn wir ihn ins Haus holen.“