Veröffentlicht inPanorama

„Weissensee“ geht ab Donnerstag weiter – aber voerst nur auf DVD

„Weissensee“ geht weiter – aber vorerst nur auf DVD

Dritte Staffel _Weissensee_ in Arbeit--656x240.jpg
Foto: dpa
Die beste deutsche TV-Serie der letzten Jahre geht weiter. Aber Jörg Hartmann intrigiert als J. R. des Ostens vorerst nur auf DVD. Die zweite Staffel ist ab diesem Donnerstag zu haben. Die ARD zeigt sie erst im September im TV-Programm.

Berlin/München. 

Die ARD-Dienstagsserien orientieren sich allzu sehr am Adenauer-Prinzip: keine Experimente. „Um Himmels Willen“, „In aller Freundschaft“ und „Familie Dr. Kleist“ überraschen ihre Zuschauer gern mit dem, was sie schon kennen. Und dann gibt es „Weissensee“ – eine Serie, die aus deutsch-deutscher Geschichte individuelle Geschichten macht. Große Gefühle, großes Fernsehen, großer Erfolg. Da ist es unverständlich, dass die zweite Staffel der Serie fast ein ganzes Jahr im Archiv schmort, bevor sie im September ausgestrahlt wird. Für DVD-Fans hat das Warten Gottlob ein Ende: Am Donnerstag gibt es die Fortsetzung auf „Weissensee“ auf Silberlingen.

Was bisher geschah: Die erste Staffel von „Weissensee“ bewies 2010, dass Qualität und Quote keine natürlichen Feinde sein müssen. Die Berliner TV-Produzentin Regina Ziegler und Serien-Erfinderin Annette Hess verknüpften die Schicksale der Ostberliner Familien Kupfer und Hausmann auf tragische Weise miteinander. Stasi kollidierte mit Kunstfreiheit. Gut fünf Millionen Zuschauer sahen an sechs Dienstagabenden fasziniert hin – zumal ein brillantes Ensemble aus überzeichneten Figuren facettenreiche Menschen machte, allen voran Jörg Hartmann als Stasi-Fiesling Falk Kupfer.

Gorbi mischt Ost und West mit „Glasnost“ und „Perestroika“ auf

Während die erste Staffel 1980 spielte, siedeln Ziegler und Hess sowie Regisseur und Drehbuch-Autor Friedemann Fromm die Fortsetzung sieben Jahre später an. Kurz zuvor hat der damalige Sowjet-Chef Michail Gorbatschow mit Forderungen nach „Glasnost“ (Offenheit) und „Perestroika“ (Öffnung) Hoffnungen beim Westen geweckt – und Ängste bei Ost-Regimen geschürt. Genau das ist auch am „Weissensee“ zu spüren.

Martin Kupfer (Florian Lukas) hat die Nase voll vom Osten; er will ’rübermachen. Zu seiner Freundin Julia Hausmann (Hannah Herzsprung) hat er keinen Kontakt mehr. Er wähnt sie in Hamburg. Tatsächlich schmort sie in Stasi-Haft, blass, krank. Ihre gemeinsame Tochter starb.

Alkohol und Doping macht die Menschen krank

Julias Mutter, die Chanson-Sängerin Dunja Hausmann (Katrin Sass), treibt das Paar auseinander, im Auftrag der Stasi. Sie verzweifelt – und sucht Trost im Alkohol.

Strippenzieher, logisch: Falk Kupfer. Jörg Hartmann zeigt wieder einmal seine Wandelbarkeit. Als Stasi-Offizier zeigt er gern mit schmierigem Charme seine Überlegenheit. Doch in den Szenen mit seiner Film-Frau Anna Loos offenbart er sich im Ehe-Elend als hilfloser Mann. Mehr noch: Film-Sohn Jonas Hämmerle hat gerade noch für die DDR eine Gold-Medaille erturnt, als er sich unmittelbar danach als Doping-Opfer erweist.

Optik von internationalem Niveau

In der letzten Szene der Auftaktfolge „Der verlorene Sohn“ kippt Falk Kupfers Stärke in pure Hilflosigkeit. Erfolglos drängt er seinen rivalisierenden Bruder Martin, sich als Nierenspender für den krank gespritzten Gold-Jungen zur Verfügung zu stellen. Und das, obwohl Martins Flucht-Absicht durch West-Geld im Koffer klar wird. Zu schlechter Letzt erkennt der J. R. des Ostens, dass er möglicherweise Kontrolle über das Schicksal anderer Menschen hat. Die Kontrolle über sein eigenes Schicksal indes entgleitet ihm gerade. Hartmann steht allein auf dem Bürgersteig, sackt in sich zusammen und gibt Verzweiflung ein so eindringliches Gesicht wie selten zuvor im deutschen Fernsehen.

Ebenfalls selten zuvor wurde Vergangenheit so beiläufig glaubwürdig inszeniert wie in „Weissensee“. Kameramann Michael Wiesweg sorgt für eine Optik mit internationalem Niveau.

Und die ARD? Sie teilt mit, dass auch bei preisgekrönten Serie keine zeitnahe Ausstrahlung garantieren könne. Das klingt so, als ertrinke das Erste in einem Überangebot hochklassigen Materials. Das Gegenteil ist der Fall.

Info: „Weissensee 2. Staffel“, 16,99 Euro; „Weissensee DVD-Box 1. und 2. Staffel“, 22,99 Euro