Veröffentlicht inPanorama

Voll wie bei einer Kinopremiere

Hörsäle sind voll wie bei einer Kinopremiere

picturegallery-101618_574623--656x240.jpg
Foto: WAZ FotoPool
Die Uni Duisburg-Essen hat mit dem Andrang der Hochschulanfänger zu kämpfen. Vorlesungen werden ins Cinemaxx verlegt.

Essen/Duisburg. 

Ein Filmstar ist Armin Bernhard nicht – auch wenn er die Kinosäle im Essener Cinemaxx neuerdings wie zu einer Premiere der „Twilight“-Saga füllt. Die Zuschauer: 2200 Lehramtsstudenten der Universität Duisburg-Essen, darunter gut 1300 Erstsemester. Bei schummriger Beleuchtung lauschen sie in die roten Kinosessel gekuschelt Professor Bernhards „Einführung in die Pädagogik“. Dabei ist seine Vorlesung nur eine, für die Studenten und Professoren vom Hörsaal ins benachbarte Kino umziehen müssen. Wegen akuten Platzmangels wird dort jetzt auch Amerikanistik, Theologie und Geschichte gelehrt.

Ein einmaliges Phänomen?

Auch knapp zwei Monate nach Beginn des Wintersemesters hat die Uni mit dem Ansturm von 6700 Hochschulanfängern zu kämpfen. Über 37 000 Studenten sind derzeit in Duisburg und Essen eingeschrieben – 3200 mehr als im vergangenen Wintersemester.

Damit ist die Uni kein Einzelfall: Nach dem Aus der Wehr- und Zivildienstpflicht strömten Tausende junge Männer ein Jahr eher an die Unis. Der Wegfall der Studiengebühren in NRW macht die Hochschulen im Land zusätzlich attraktiv, auch für die doppelten Abiturjahrgänge aus Bayern und Niedersachsen. Für Uni-Sprecherin Beate Kostka ein „einmaliges Phänomen. Ich gehe davon aus, dass wir die aktuellen Studierendenzahlen in den kommenden Semestern halten werden.“

Schon seit Jahren habe sich die Uni auf den Andrang vorbereitet, so Kostka. Mithilfe einer 100-Millionen-Euro-Finanzspritze aus dem Hochschulpakt wurden seit 2007 zusätzliche Studienplätze – vor allem in stark nachgefragten Numerus-Clausus-Fächern wie BWL, Medienwissenschaft, Kulturwirt, Wirtschaftsingenieurwesen und Lehramt – geschaffen. Lehrstellen wurden aufgestockt, an beiden Standorten sollen neue Hörsaalzentren entstehen.

Bequeme Sessel verleiten zum Schlafen

An der momentanen Platznot ändert das nichts: Parkplätze, Mensa und Cafeterien sind in Duisburg und in Essen überfüllt. Genau wie die Hörsäle. Der Umzug ins Kino – eine Notlösung. Dort ist zwar ausreichend Platz, im größten Saal können 500 Studenten sitzen. Begeistert ist aber niemand: „Es gibt hier keine Schreibunterlagen“, sagt Katrin Belting und gähnt. Tatsächlich: Die 20-jährige Lehramtsanwärterin ist in Prof. Bernhards Pädagogik-Vorlesung eingenickt. Nicht aus Langeweile, der Stoff ist klausurrelevant. „Aber das schummrige Licht und die gemütlichen Sessel machen schnell müde.“

Kommilitone Marc Dröge ist genervt. „In den Sälen ist es laut, weiter hinten bekommt man nichts mit.“ Wer vorne sitzen will, müsse sich mindestens eine Stunde vor Vorlesungsbeginn in die Schlange stellen – wie bei einer echten Kinopremiere eben. Und Dröge befürchtet Schlimmeres: „2013 kommen auch in NRW die Doppeljahrgänge, da wird es an den Unis noch voller.“ Bewusst hat sich der 20-Jährige deshalb in diesem Jahr fürs Studium und gegen den Zivildienst entschieden.

Der Professor als unfreiwilliger Leinwandheld

Armin Bernhard kann die Gelassenheit nicht verstehen. Der Pädagogik-Professor ist ein unfreiwilliger Leinwandheld. „Ich war von Anfang an gegen die Vorlesung im Kino“, sagt er. Das Scheinwerferlicht verzerrt seinen Körper zu einem gespenstischen Schatten. „Wie soll ich mit den Studenten diskutieren, wenn mich ein Großteil nur per Videoübertragung im benachbarten Kino sieht?“ Die Qualität der Vorlesung leide und ist laut Bernhard vor allem eines: „Billige Massenbildung.“

Auch am Campus in Duisburg werden Massen gebildet, etwa in „Technischer Mechanik“. An Schlafen ist dort nicht zu denken: Statt bequemer Kinosessel gibt es im Hörsaal BA 026 enge Sitzbänke, in die sich 600 Maschinenbauer und Wirtschaftsingenieure im ersten Semester wie Sardinen zwängen müssen. Wer keinen Platz bekommt, muss auf der Treppe sitzen – oder stehen. Maschinenbauer Marvin Eisner (20) nimmt’s gelassen; er hat einen Stuhl direkt vor der Tafel ergattert: „Die Jobaussichten für Ingenieure sind gut, dafür lohnt es sich, für einen Platz eher zu kommen.“

Im Hörsaal ist es heiß wie in der Sauna

Dozent Dominik Raab freut sich über das wachsende Interesse. Besonders die Fächer Maschinenbau und Bauingenieurwesen seien beliebt: 60 Prozent Studierende mehr als im Vorjahr verzeichnen die Statistiken. Aber: „Uns fehlen die Räume“, klagt Raab.

In dem viel zu engen Hörsaal ist es stickig und heiß wie in der Sauna. Schwitzen ist angesagt. Da ist auch der Bau der neuen Hörsaalzentren nur ein schwacher Trost. „Wir hoffen, dass wir damit in Duisburg 2012 beginnen können“, sagt Uni-Sprecherin Kostka. „Bis dahin werden wir weitere Räume anmieten.“ Für Studenten in Duisburg und Essen bedeutet das: Schwitzen oder Schlafen – ein Ende ist erst einmal nicht in Sicht. Uni Duisburg-Essen