Es war ein Satz, mit dem er die „Letzte Generation“ in die Bredouille brachte. „Wenn jemand im Stau stirbt“, sagte Sachsens bekanntester Klimaaktivist Christian Bläul, sei das zwar „wahnsinnig schwer zu ertragen“.
Es sei aber eine Sache, auf die er zumindest im Hinterkopf mental vorbereitet sei. „Etwas, das wir zumindest ein Stück weit riskieren müssen.“ Der Satz stammt aus einer 40-minütigen Dokumentation für den TV-Sender Sachsen-Fernsehen. Ein Reporter hat den Klimakleber ein Jahr lang begleitet. Die Doku war noch gar nicht ausgestrahlt, da hallte schon ein Schrei der Empörung durch Deutschland.
„Wer das macht, ist Terrorist“
„Wo sind wir denn eigentlich, dass diese Irren sich anmaßen, über Leben oder Tod entscheiden zu können, indem sie z.B. Notärzte blockieren?“, fragte der SPD-Politiker Florian Post bei Twitter. Und die sächsische AfD-Fraktion twitterte: „Die Klimaterroristen geben inzwischen offen zu, dass sie auch weitermachen, wenn’s Tote gibt. Wer das macht, ist Terrorist.“
Sogar die „Letzte Generation“ selbst rückte von Bläul ab. Durch seine Aktion sei der Eindruck entstanden, man nehme billigend in Kauf, dass Menschen durch ihre Proteste Schaden nehmen, sagt ein Sprecher der Gruppe dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das sei aber nicht der Fall.
Hinter schwedischen Gardinen
Aber wer ist dieser Christian Bläul ? 41 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, studierter Physiker, Informatiker ? In Sachsen kennt man ihn längst. Im August 2022 wurde er nach einer Sitzblockade in Stockholm verhaftet.
Nach 14 Tagen Untersuchungshaft fand er sich in einem Gericht wieder. Sabotage, lautete die Anklage. Darauf stehen in Schweden sechs Monate Gefängnis. Bläul kam zur Bewährung heraus und mit einer Geldstrafe von 75 Euro davon.
Der Medienrummel ist ihm peinlich
Um für seine Freilassung zu demonstrieren, hatten sich zwei Klima-Aktivisten in der Dresdener Galerie Alter Meister an den Rahmen der weltberühmten Sixtinischen Madonna geklebt. Seither ist Bläul zumindest in seiner sächsischen Heimat bekannt.
Der Medienrummel sei ihm peinlich gewesen, sagt er in der Doku. Er sei eher ein schüchterner Typ. Es gehe ihm um die Sache als solche, nicht um seine Person. Anruf bei Christian Bläuel. Würde er den umstrittenen Satz dann noch einmal genau so vor der Kamera wiederholen?
Ein Vollzeit-Job als Aktivist
Bläuel rudert zurück, aber zitieren darf man ihn nicht. Er sagt, er habe schlechte Erfahrungen mit Medien gemacht. Zwischen ihn und die „Letzte Generation“ passe aber kein Blatt — auch nicht nach dieser Doku.
Er sagt, er arbeite jetzt sogar Vollzeit als Aktivist, dafür habe er sich von seinem letzten Arbeitgeber kündigen lassen. Ein Gehalt zahle ihm die „Letzte Generation“ nicht. Seine Frau ernähre die Familie als Lehrerin. Er habe Arbeitslosengeld I beantragt. Und wer zahlt die Strafgelder in Höhe von 25.000 Euro, von denen in der Doku die Rede ist?
Ermahnungen von der Oma
Bläul sagt, rechtskräftig sei bislang ein Urteil über eine Geldstrafe in Höhe von 600 Euro, und dagegen habe er Widerspruch eingelegt. So verfahre er in den anderen Fällen auch. „Es wird Jahre dauern, bevor ich Rechnungen bekomme.“ Ganz schön viel Ärger für einen Job, der nicht bezahlt wird.
Er sagt, es habe ihm irgendwann nicht mehr gereicht, vegan zu leben oder radzufahren, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Lage sei dramatisch. Sogar seine Oma habe er davon überzeugt.
In der Doku verspricht er ihr, dass er sich weder in der Gemäldegalerie anklebe noch auf einem Flughafen. Am Telefon sagt, vielleicht mache er es aber doch. Um eine Debatte zu provozieren, wie jeder einzelne Emissionen reduzieren könne, sei ihm jedes Mittel recht. Solange keiner zu Schaden komme.