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Süße Versuchung – Warum wir so verrückt nach Schokolade sind

Süße Versuchung – Warum wir so verrückt nach Schokolade sind

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Versuchung : Schokolade Foto: Jakob Studnar/WAZ FotoPool
Sie ist die zarteste Versuchung. Kaum jemand kann der Schokolade widerstehen. Warum das so ist, erklärt Chocolatier Tobias Schulte aus Mülheim an der Ruhr. Er verrät auch, welche ungewöhnliche Sorte er gerade in seiner Versuchsküche austüftelt.

Mülheim. 

Kennen Sie den Film „Chocolat“? Eine unkonventionelle Frau versetzt mit einer Chocolaterie ein französisches Dorf in Aufruhr. Sie errät die Lieblingssorte jedes Kunden und verkauft „Kakaobohnen, um Leidenschaft zu entfachen“. Nebenbei bringt sie Verliebte zusammen. Schokolade ist machtvoll, lautet die Botschaft. – Vor allem aber macht sie schlanke Hüften voll. Doch wer mag daran denken, wenn er sich eine samtene Praline auf der Zunge zergehen lässt oder in ein knackiges Stück Bitterschoko beißt?

Die Lieblingssorte seiner Kunden bei „Chocolate Dreams“ in Mülheim kann Tobias Schulte zwar nicht erraten, doch das kommt vielleicht noch. Der Chocolatier ist erst 22 Jahre alt, steht also ganz am Anfang seiner zuckersüßen Karriere. Wobei zuckersüß das falsche Wort ist. Schokolade kann mehr sein: salzig-süß, scharf-süß, fruchtig-süß, bitter-süß. Neuerdings auch käsig-süß. Doch dazu später mehr.

Warum essen wir gern Schokolade?

Etwa zehn Kilogramm verspeist jeder von uns pro Jahr – genüsslich, frustriert, als Belohnung, aus Heißhunger, gedankenlos. Doch warum sind wir so verrückt nach dieser Süßigkeit? Da gerät selbst der Schokoladen-Fachmann ins Grübeln. „Schon als Kind bekommt man von Oma und Opa Schokolade als Belohnung“, sagt Schulte nach einer Weile. Da gewöhne man sich dran. „Und außerdem schmeckt sie.“ Zum Probieren gibt’s erst mal Vollmilchschokolade.

„Callets“ nennen sich die kleinen Schokotropfen, die beim Zerbeißen ein mildes Kakao-Aroma im Mund verbreiten. Zwei Kilogramm in cremig, geschmolzenem Zustand warten gerade darauf, eine Liebeskummer-Wochenration Sahnetrüffel zu veredeln. Die Finger in das 32 Grad warme Schokobad tauchen darf nur der Fachmann, und der zieht dafür Handschuhe an. Er verreibt die hellbraune Creme zwischen den Handflächen und rollt dann die vorbereiteten Trüffel ein paarmal hindurch, bevor er sie zum Trocknen absetzt. Amerikanische Forscher wollen übrigens herausgefunden haben, dass unsere Vorliebe für Süßes einen vernünftigen Hintergrund hat: Solange wir wachsen, brauchen wir Energie, die wir uns aus kalorienreichen Lebensmitteln holen müssen.

Verrät die Lieblingssorte etwas über den Charakter?

Sind Bitterschokoladengenießer kreative Puristen, Vollnussverehrer extrovertierte Anpacker und Nougatnascher herzliche Familienmenschen? Das legt zumindest das „Charakterquiz“ auf der Internetseite eines Schokoladenherstellers nahe. Tobias Schulte will sich da nicht festlegen. Er hat aber bemerkt, dass neuerdings mehr Leute dunkle Schokolade bevorzugen – „die soll ja gesünder sein“.

Ist Schokolade gesund?

Bitterschokolade enthält aufgrund ihres hohen Kakaoanteils mehr Flavanole, die den Blutdruck senken können. Der Effekt ist allerdings so gering, dass Fett und Kalorien ihn vermutlich wieder zunichte machen. Weiße Schokolade enthält keine Flavanole, denn sie besteht nicht aus Kakao, sondern aus Kakaobutter, dem Fett der Kakaobohne. „Streng genommen ist sie gar keine Schokolade“, sagt Schulte.

Unterliegt unser Schokogeschmack dem Wandel der Zeit?

Im 17. Jahrhundert wurde Schokolade nur in Apotheken verkauft und war damit den Bessergestellten vorbehalten. Heute kann man sich überall mit industriell gefertigter Massenware eindecken, im Internet wird der erste 3D-Drucker für Schokolade angepriesen. Gleichzeitig gibt es in Deutschland nur wenige Chocolaterien, die hausgemachte Produkte ohne Zusatzstoffe anbieten.

Verkaufsschlager in Schultes Chocolaterie bleiben die Klassiker: Champagner- oder Sahnetrüffel. Daneben bietet er fruchtige Varianten wie Veilchenpralinen oder pinkfarbene Erdbeertrüffel an, und Spezielles wie frisches Karamell mit Salz oder Chilitrüffel. „Das ist gar nicht so schlimm, wie es sich anhört“, verspricht er. Aber müssen „experimentelle Neuheiten“ wie Tomate-Mozzarella- und Schafskäse-Pralinen wirklich sein? Schulte sieht es pragmatisch: „Man sollte eben nur wissen, welche Schokoladensorte gut dazu passt.“ Er ist gerade dabei, ein Rezept mit Senf zu entwickeln.