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Suchtberater kritisieren Spielerkarte als „Katastrophe“

Suchtberater kritisieren „Spielerkarte“ als „Katastrophe“

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Einschränkung des Automatenspiels Foto: Olaf Fuhrmann/WAZ FotoPool
Die von der Regierung geplante Spielerkarte stößt auf scharfe Kritik. Wer sein Geld in Automaten werfen will, müsste laut dieses Vorschlags eine elektronische Karte kaufen. „Aus präventiver Sicht wäre das eine Katastrophe“, urteilt die Landesfachstelle Glücksspielsucht NRW.

Saarbrücken/Berlin. 

Die Bundesregierung will Geldspiele an Automaten künftig erschweren. Zur Bekämpfung der Spielsucht sollen die Geräte künftig nur noch mit einer elektronischen „Spielerkarte“ benutzt werden können.

Auf diese Karte könnte jeder Spieler die Summe laden, die er einsetzen will. Im Gespräch sind maximal 200 Euro pro Tag und Spielstätte. Die Karte soll zudem dafür sorgen, dass nach einer Stunde am Automaten eine Zwangspause eingeleitet wird, um Spieler zu bremsen. Sie soll in Gaststätten oder Spielhallen zu verkaufen sein.

„Als würde man sagen, drei Liter Bier am Tag sind unbedenklich“

Über die Summe von 200 Euro täglich kann Ilona Fürchtenschnieder nur den Kopf schütteln. Sie leitet die Landesfachstelle Glücksspielsucht in NRW. „Bei normalem Verdienst ist allein das nicht sinnvoll“, sagt sie. „Es ist unglaublich, welche Botschaft die Politik hier vermittelt. Das ist, als würde man sagen, drei Liter Bier am Tag zu trinken, ist völlig unbedenklich.“

Das Bundeswirtschaftsministerium sei offenbar zu eng mit der Glücksspiel-Industrie verbandelt, kritisiert die Expertin. „Das ist reine Symbolpolitik, aus präventiver Sicht eine Katastrophe“, sagt Fürchtenschnieder. In der Zeit, die über den aktuellen Gesetzesentwurf diskutiert würde, kämen sinnvollere Vorschläge nicht auf den Tisch. Aus Sicht der Fachstelle müssten Glücksspiel-Automaten drastisch entschärft werden. „Wenn es weniger zu gewinnen und zu verlieren gäbe, wäre das sinnvoller“, sagt Fürchtenschnieder.

Zudem seien die finanzielle Begrenzung und die zeitliche Pause der „Spielerkarte“ viel zu leicht zu umgehen. „Wenn die Karte nicht personengebunden ist, kann ein Spieler doch einfach einen anderen Namen angeben“, sagt die Suchtberaterin. „Und selbst wenn eine Halle sich querstellt, dann holt er sich in der nächsten Halle die nächste Karte. All das wurde bisher nicht zu Ende gedacht.“

Grüne: Spielerkarte wäre ein „Riesengeschenk an die Industrie“ 

Auch die Grünen kritisierten die Pläne der Bundesregierung. „Die Vorschläge der Bundesregierung sind ein Riesengeschenk an die Industrie. Für die Suchtprävention bringen sie gar nichts“, sagte der Suchtbeauftragte der Grünen, Harald Terpe. Im Gegenteil sei die Versuchung damit viel größer, die ganze Summe auch zu verspielen, wenn das man das Geld bereits aus dem Geldbeutel auf die Karte übertragen habe, ergänzte Terpe.

Als effektive Maßnahmen gegen Spielsucht schlug der Grünen-Politiker vor, die Automaten aus Gaststätten zu verbannen, da dort die Jugendlichen „angefixt“ würden. Weiterhin forderte Terpe, die Geräte zu „entschärfen“, also die Spieldauer zu verlängern und die Einsatzhöhe zu verringern.

Automatenunternehmer würden „Spielerkarte“ begrüßen

Nach Einschätzung des Bundesverbands der Automatenunternehmer dagegen könnte die „Spielerkarte“ den Jugendschutz stärken. Der Verband befürworte eine personenungebundene Karte als flankierende Maßnahme zum Jugendschutz, sagte Geschäftsführer Harro Bunke. Dagegen würde eine Karte mit den persönlichen Daten des Spielers erhebliche datenschutzrechtliche Probleme aufwerfen.

Ähnlich sieht das der Spielautomaten-Hersteller und -Vertreiber Gauselmann. „Wenn es sich um eine personenungebundene Karte handelt, können wir uns damit anfreunden“, sagte Sprecher Mario Hoffmeister. Eine personalisierte Spielerkarte könnte wegen datenschutzrechtlicher Bedenken nicht zugelassen werden.

In Deutschland sind laut Experten über 260.000 Menschen abhängig vom Glücksspiel. (mit Material von dapd)