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Sat.1 lässt Menschen heiraten, die sich nie gesehen haben

Sat.1 lässt Menschen heiraten, die sich nie gesehen haben

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Happy newlywed young caucasian couple Foto: Getty
Auf der Suche nach polarisierenden TV-Formaten ist Sat.1 fündig geworden. Der Münchner Privatsender lässt Menschen heiraten, die sich zuvor nicht kannten. Vorgeführt werden soll niemand, wie es heißt. Aber Glück ist damit längst nicht garantiert.

Köln. 

Der Mann im Smoking atmet noch einmal tief durch. „Ich bin nervös“, gesteht er. Der Frau im weißen Kleid, die draußen vor der Tür die Hand ihres Vaters ergreift geht es ähnlich. Was nur verständlich ist. Denn die beiden haben ein Blind Date. Nicht zum Essen, nicht fürs Kino, sondern zu ihrer eigenen Vermählung. In wenigen Minuten sollen sie vor laufenden Kameras heiraten. Standesamtlich und damit rechtskräftig, aber ohne sich zuvor auch nur ein einziges Mal gesehen zu haben. „Hochzeit auf den ersten Blick“ (Sat.1 , So. 18 Uhr) heißt die Sendung und war in Dänemark und den USA bereits ein großer Erfolg.

Liebe erst beim zweiten Hinsehen. Vielleicht auch später oder gar nicht. Keine roten Rosen, kein teures Abendessen. Ein „Sozial-Experiment“ nennt es Sat.1. Weil die Sendung Hinweise darauf geben soll ob Ehen, die genau durchgeplant sind, nicht vielleicht sogar die besseren sind. Insgeheim aber werden sie wohl hoffen, dass möglichst viele es Skandal nennen. Denn das wäre jedenfalls gut für die Quoten.

Kandidaten waren schnell gefunden

Nach Kandidaten musste der Sender nicht lange suchen. Von 120 Männern und Frauen, die der Sender aus rund 7000 Interessierten ausgewählt und zu einem Workshop eingeladen hatte, wären immerhin 68 bereit gewesen, sich auf eine Ehe mit einem völlig unbekannten Partner einzulassen. 21 von ihnen kamen in engere Wahl, acht sogar bis zum Standesamt.

Ausgewählt wurden sie von vier, nun ja, Experten, darunter sogar ein freikirchlich-evangelischPastor Sie haben den Teilnehmern viele Fragen gestellt, haben sie zu Hause besucht, sie analysiert und miteinander verglichen, bis sie vier Paare hatten.

„Personen, die in bestmöglicher Form zusammenpassen“, nennt sie die beratende Paartherapeutin. Von der Musik, die sie hören, über die Filme, die sie sehen, bis zum Sex, den sie mögen. Ihnen hat Sat.1 die Hochzeit bezahlt und auch die kurzen Flitterwochen, hat dabei geholfen, einen Ehevertrag aufzusetzen und zusammenzuziehen. Im Gegenzug kamen die Kameraleute des Senders immer wieder mal vorbei, um den Ehealltag abzulichten. Nach sechs Wochen mussten die Paare sich entscheiden: zusammenbleiben oder wieder auseinander gehen.

Man kann sich jetzt natürlich sorgen. Wegen des Senders, auf dem die Show läuft. Und vor allem, wegen des Sendeplatzes, den sie dort dafür gefunden haben. Sonntags um 18 Uhr, wo sonst Schwiegertöchter gesucht oder lange verschollene Verwandte aufgefordert werden: „Bitte melde dich.“ Gute Quoten gibt es da aber eben auch schlechtes Fernsehen.

Ganz so schlimm wird es dann aber nicht, wie ein Blick in die erste Folge zeigt. Jedenfalls wird niemand vorgeführt. Stattdessen sieht man Männer und Frauen, die anscheinend viel versucht, aber nur wenig erreicht haben in Sachen Liebe. Keine Menschen, die alles tun würden, um mal ins Fernsehen zu kommen, die aber so ratlos sind, dass sie bereitwillig ihr Innerstes nach außen kehren und jegliche Entscheidungsgewalt in Sachen Partnerschaft delegieren, nicht ahnend, was da auf sie zukommen könnte, wenn Nachbarn oder Kollegen sie in der Show sehen.

Scheidung wird nicht bezahlt

Hochzeitsgäste kann man in der Show erleben, die aufstehen und klatschen für einen Menschen, den sie nie zuvor gesehen haben. Oder einen Bräutigam, der die Braut, kurz bevor er ja sagt, erst mal fragen muss: „Wie heißt du eigentlich?“ Manches ist zum Lachen, anderes nur lächerlich, manches wie ein schlimmer Unfall, bei dem man nicht wegsehen kann.

Sat.1 hat die Dreharbeiten mittlerweile beendet, will aber nicht verraten, ob aus den geplanten Partnerschaften Liebe geworden ist. „Mögliche Scheidungen“, lässt der Sender ausrichten, „werden nicht bezahlt.“

Aber vielleicht macht ja auch daraus irgendjemand eine Fernseh-Show.