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Physiker, Soziologen und Philosophen entdecken die Simpsons

Physiker, Soziologen und Philosophen entdecken die Simpsons

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Foto: fremdbild
Ob Vorlesung oder Seminar, Doktorarbeit oder Studie: Immer mehr Forscher packt das Simpsons-Fieber. Verrückt dabei: Es geht quer durch alle wissenschaftlichen Disziplinen. Mit der Kultserie beschäftigen sich Soziologen und Semantiker, Physiker und Philosophen.

Essen. 

Gelb regiert die Welt: Seit mehr als 20 Jahren begeistert die US-Zeichentrickserie „Die Simpsons“ die Fernsehzuschauer. Doch die sarkastischen Geschichten um den verfressenen Familienvater Homer Simpson, seinen anarchischen Sohn Bart und die anderen gelben Mitglieder der Sippe sind auch für Forscher interessant – über alle Disziplinen hinweg.

Mit der Kultserie beschäftigen sich Soziologen und Semantiker, Physiker und Philosophen. Sie ist Gegenstand von Vorlesungen, Seminaren, Doktorarbeiten und wissenschaftlichen Wälzern. Der Mikrokosmos der fiktiven US-Kleinstadt Springfield, in der die Simpsons ihr Unwesen treiben, bietet für jeden Forscher etwas.

Bitterböses Spiegelbild westlicher Lebensweise

Da „Die Simpsons“ ein massenkulturelles Phänomen sind und Springfield ein bitterböses Spiegelbild der amerikanischen, westlichen Lebensweise abgibt, ist die bei ProSieben laufende Kultserie in erster Linie für Geisteswissenschaftler interessant. So lockt ein Proseminar der Uni Passau in diesem Sommersemester mit dem Thema „Die Serie ‚The Simpsons’ aus politikwissenschaftlicher Perspektive“. Einer der Aspekte: Wie sieht der unterbelichtete US-Bürger Homer Simpson den Rest der Welt?

An der Uni Köln beschäftigten sich Studenten der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft mit dem Seminarthema „Die Simpsons – Anatomie einer Fernsehserie“, in dem es unter anderem darum ging, warum sich Frauen in Springfield so schwer mit einer beruflichen Karriere tun und Homer so versessen aufs Fernsehen ist.

Forschungsgegenstand mehrerer Disziplinen

Doktorarbeiten und wissenschaftliche Hausarbeiten drehen sich um die Funktion der „Intertextualität und Intermedialität“ in der Serie (Uni Passau) oder politische Satire im Unterricht am Beispiel der Simpsons (Uni Kassel).

Journalistische Lehrbücher beschäftigen sich mit den medienwissenschaftlichen Aspekten der Simpsons. Das pädagogische Sachbuch „Philosophieren mit den Simpsons“ von Christian Klager setzt sich damit auseinander, wie man Schülern den Philosophie- und Ethik-Unterricht mit Hilfe der Serie schmackhaft machen kann.

Hält es Homer mit Aristoteles?

Gerade für philosophische Fragen sind „Die Simpsons“ eine Fundgrube, wie mehrere Abhandlungen beweisen. So sinnieren in dem Essayband „Die Simpsons und die Philosophie“ US-Denker unter anderem, ob der Genussmensch Homer aristotelische Tugenden hat oder sich sein chaotischer Sohnemann Bart möglicherweise zum Übermenschen im Sinne Friedrich Nietzsches entwickelt.

Doch auch für Naturwissenschaftler bietet die Serie, in der Zeichentrick-Ausgaben von Stephen Hawking und Albert Einstein schon Gastauftritte hatten, viel. So veröffentlichte die renommierte US-Zeitschrift „Nature“ eine Liste mit den „Top 10 der Wissenschaftsmomente bei den ‚Simpsons’“. Dazu zählte die Folge, in der Bart einen Kometen entdeckt, der Kurs auf Springfield nimmt, was Barkeeper Moe mit dem Satz kommentiert: „Lasst uns das Observatorium zerstören, damit so etwas nie wieder passiert.“ Oder die Episode, in der die blitzgescheite Tochter Lisa ein Perpetuum mobile erfindet, was der liebenswerte Prolet Homer gar nicht gerne sieht. Sein trotziger Kommentar: „In diesem Haus gehorchen wir den Gesetzen der Thermodynamik!“

In seinem Buch „Schule ist was für Versager“ zeigt US-Physiker Paul Halpern amüsant, welche Rolle Naturwissenschaft und Technik im Alltag der gelben Sippe spielen – und beschäftigt sich zum Beispiel mit der Frage, wie es zu Mutationen wie dem dreiäugigen Fisch Blinky kommen kann, der im Kühlwasser des Atomkraftwerks von Springfield schwimmt. Paul Halpern und andere Professoren haben eben längst entdeckt, dass sich Wissenschaftsstoff mit Hilfe der lustigen Serie besonders gut an den Mann bringen lässt. Seminare und Vorlesungen haben regen Zulauf, Bücher verkaufen sich gleich viel besser, wenn sie auf Homer und die Seinen Bezug nehmen.