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Pharao Tutanchamun könnte an Epilepsie gelitten haben

Pharao Tutanchamun könnte an Epilepsie gelitten haben

Der ägyptische Pharao Tutanchamun litt möglicherweise an einer erblichen Form der Epilepsie. Sie könnte seinen frühen Tod verursacht haben und auch für seine fast feminine Gestalt verantwortlich sein. Das schließt ein britischer Forscher aus der Auswertung von medizinischen Daten zu Tutanchamun und dessen unmittelbaren Vorfahren.

London (dapd). Der ägyptische Pharao Tutanchamun litt möglicherweise an einer erblichen Form der Epilepsie. Sie könnte seinen frühen Tod verursacht haben und auch für seine fast feminine Gestalt verantwortlich sein. Das schließt ein britischer Forscher aus der Auswertung von medizinischen Daten zu Tutanchamun und dessen unmittelbaren Vorfahren.

Sowohl der frühe Tod der Pharaonen der 18. Dynastie, als auch ihre Unfallanfälligkeit und ihre auffallend verweiblichte Gestalt sprechen nach Ansicht von Hutan Ashrafian vom Imperial College London für eine sogenannte Schläfenlappen-Epilepsie. Sie sei noch heute die häufigste Form der Epilepsie bei Erwachsenen. Von dieser Erkrankung wisse man zudem, dass sie Halluzinationen und religiöse Visionen auslösen könne. Daher sei es sogar möglich, dass der von Pharao Echnaton in Ägypten eingeführte monotheistische Aton-Kult eine Folge dieser Krankheit war, berichtet der Forscher im Fachmagazin „Epilepsy & Behavior“ (doi:10.1016/j.yebeh.2012.06.014).

„Es ist auffallend, dass von zwei der fünf Pharaonen dieser Ahnenreihe berichtet wird, dass sie religiöse Visionen hatten“, sagt Ashrafian. Tutmosis IV. habe einer Inschrift in Gizeh zufolge sogar mitten am Tag eine religiöse Vision erlebt. Pharao Echnaton soll unter anderem der Sonnengott Aton in Form einer Sonnenscheibe zwischen zwei Bergen erschienen sein. Diese Erfahrung bewegte den Pharao dann der Überlieferung nach dazu, den Aton-Kult zur neuen Staatsreligion zu machen. „Von der Schläfenlappen-Epilepsie ist bekannt, dass sie in 10 bis 60 Prozent der Fälle von psychischen Krankheitserscheinungen begleitet wird“, erklärt der Forscher. Studien zufolge erlebten einige Patienten bei und unmittelbar nach solchen Krampfanfällen auch starke religiöse Gefühle.

Nach Ansicht von Ashrafian spricht auch das Aussehen der Pharaonen dieser Dynastie für seine Diagnose: Sowohl Tutanchamun als auch sein Vater Echnaton seien häufig mit ungewöhnlich breiten Hüften und sogar weiblichen Brüsten abgebildet worden. Die beiden Vorgänger von Echnaton, Amenhotep III. und Tutmosis IV., hätten ähnlich verweiblichte Körperformen aufgewiesen. Auch dies lasse sich durch eine Folge der Epilepsie erklären, meint der Forscher. Denn der dabei betroffene Schläfenlappen sei mit Teilen des Gehirns verknüpft, die auch die Freisetzung von Geschlechtshormonen regeln. „Bei männlichen Patienten kann dies den Hormonspiegel verändern und zu verweiblichten Körperformen führen“, erklärt Ashrafian.

Ein weiteres Indiz ist nach Ansicht des Forschers der frühe Tod der Pharaonen. Patienten mit Epilepsie hätten ein erhöhtes Sterberisiko. Das könnte erklären, warum Tutmosis IV. mit 40 Jahren, möglicherweise sogar früher starb, seine Nachfolger Echnaton und Semenkare mit Anfang 30 und Mitte 20 und Tutanchamun sogar noch vor seinem 20. Lebensjahr. Der kurze Zeit später herrschende Pharao Ramses II. sei 85 Jahre alt geworden. Dies spreche dagegen, dass eine kurze Lebenszeit damals normal gewesen wäre, sagt Ashrafian.

Zu einer Epilepsie passe auch der verheilte Oberschenkelbruch bei Tutanchamun, der vor kurzem entdeckt worden war. „Brüche an dieser Stelle gehören zu den häufigsten bei Epileptikern beobachteten“, sagt Ashrafian. Auch eine Entzündung am Knie des Pharao könnte durch eine Verletzung verursacht worden sein, die er sich während eines Krampfanfalls zuzog.

„Das ist eine faszinierende und plausible Erklärung“, kommentiert Howard Markel von der Universität Michigan in Ann Arbor die Hypothese des Briten im Magazin „New Scientist“. Allerdings sei diese Hypothese nahezu unmöglich zu beweisen, da es keinen definitiven genetischen Test für diese Epilepsie gebe.

dapd